„Top-fit am Arbeitsplatz“
Chefin-Interview: Die Ärztin Annegret Schumacher vom Medical Airport Service (MAS) in Mörfelden-Walldorf sagt, warum Arbeitsschutz ein Motor für die Unternehmenskultur ist
Medical Airport Service, kurz MAS, mit Sitz in Mörfelden-Walldorf ist ein bundesweiter Anbieter für hochqualifizierten Arbeits- und Gesundheitsschutz. Über tausend Organisationen aus dem öffentlichen Sektor und den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen, darunter auch das Land Hessen mit seinen mehr als 150.000 Beschäftigten, zählen zu den Kunden und lassen ihre Belegschaften hier betreuen. aktiv sprach mit der Ärztin und Arbeitsschutzexpertin Dr. med. Annegret Schumacher, Geschäftsführerin von MAS, über das hohe Gut Gesundheit und die Herausforderungen für den Arbeitsschutz in einer sich rasant verändernden Arbeitswelt.
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 25. Januar 2025
Frau Dr. Schumacher, warum ist Arbeitsschutz so wichtig?
Beim Arbeitsschutz dreht sich alles darum, die Sicherheit und die Gesundheit der Menschen an ihrem Arbeitsplatz zu gewährleisten. Moderner Arbeitsschutz zielt auf ein hohes Sicherheits- und Gesundheitsbewusstsein der Menschen an ihrem Arbeitsplatz und bei ihrem Arbeitgeber selbst ab, weil man so Arbeitsunfälle und berufsbezogene Erkrankungen verhindern will. Auch die psychische Gesundheit spielt eine immer wichtigere Rolle. Deshalb beinhaltet die Beurteilung der Arbeitsbedingungen immer auch die Beurteilungen potenzieller psychischer Belastungen, die mit der Arbeit einhergehen können. Im Arbeitssicherheits- und dem Arbeitsschutz-Gesetz gibt es zu all dem klare Regeln, die in den Betrieben beachtet und umgesetzt werden müssen.
Sind Unternehmen und Führungskräfte heute besonders gefordert?
Die Herausforderungen im Arbeitsschutz sind schon groß und ergeben sich heute aus einer Kombination von technologischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen. Dazu gehören im Besonderen die Anpassung an die rasante technische Entwicklung, die Digitalisierung und an neue Arbeitsformen, sowie in der Einhaltung immer komplexer werdender gesetzlicher Vorschriften. Hinzu kommen der demografische Wandel und neue Wertevorstellungen bei der nachfolgenden Generation. Unternehmen und Führungskräfte müssen diese Herausforderungen proaktiv angehen und eine ganzheitliche Strategie entwickeln, um die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden und der Organisationen in einer sich ständig verändernden Arbeitswelt zu gewährleisten. In Betrieben, in denen die körperliche und auch seelische Gesundheit der Menschen einen hohen Stellenwert hat und man sich um ihr Wohlergehen kümmert, kann der Arbeitsschutz dann sogar zum Motor werden für die Unternehmenskultur.
Wie kann MAS Unternehmen auf diesem Weg unterstützen?
In unserer täglichen Arbeit stellen wir zunehmend ein gestiegenes Belastungsempfinden bei Beschäftigten fest – unabhängig von ihrer jeweiligen Position im Unternehmen. Besonders Führungskräfte stehen vor großen Herausforderungen und übernehmen eine zentrale Rolle im Umgang mit diesen Belastungen. Als MAS bieten wir maßgeschneiderte Unterstützung in verschiedenen Themenfeldern und Formaten. Diese reichen von gezielten Einzelmaßnahmen, wie individuellen Coachings für Führungskräfte, bis hin zu Initiativen im Bereich der Organisationsentwicklung. Entscheidend ist dabei stets eine fundierte, individuelle Standortbestimmung des Unternehmens, um darauf aufbauend alle weiteren Maßnahmen optimal abzustimmen. Yoga- oder der Fitnessteller in der Kantine sind ja ganz nett, aber das reicht nicht, um alle im Betrieb mitzunehmen. Mit der Einführung des Business Health Index (BHI) haben wir ein effektives Instrument, das es uns ermöglicht, besonders zielgerichtet Maßnahmen zu planen und zu gestalten. Dieser Index liefert wertvolle Einblicke in die gesundheitlichen und organisatorischen Strukturen des Unternehmens und ist die Grundlage für nachhaltige, passgenaue Entwicklungsstrategien, die wir mit dem Unternehmen erarbeiten.
Welche Rolle spielt Vorbeugung? Wie weit kann sie gehen?
Vorbeugung oder auch Prävention ist der Kern eines modernen Arbeitsschutzes. Prävention zielt darauf ab, Gefährdungen und Belastungen am Arbeitsplatz frühzeitig zu erkennen und diesen entgegenzuwirken, bevor Unfälle oder Gesundheitsschäden überhaupt eintreten. In diesem Kontext ist die Definition von Beinaheunfällen eine relevante Stellgröße, nicht nur physische Beinaheunfälle, sondern auch psychische Beinaheunfälle. (z.B. nicht beachten von Pausenzeiten, Mobbing, erhöhter Stress). Das zentrale Instrument der Prävention im Arbeitsschutz stellt die Beurteilung der Arbeitsbedingungen dar. Arbeitgeber müssen mögliche Gefährdungen und Belastungen, die mit der Tätigkeit im Zusammenstehen, ermitteln, beurteilen und entsprechende Maßnahmen ergreifen, um diesen wirkungsvoll entgegenzuwirken. Dabei spielen auch vorhandene und potenzielle Ressourcen eine wichtige Rolle.
Im Grunde kann Prävention nur funktionieren, wenn alle Akteure im Arbeitsschutz bzw. BGM eng zusammenarbeiten und neben der Beurteilung der Arbeitsbedingungen weitere präventive Maßnahmen im Arbeitsschutz Anwendung finden:
- Technische Schutzmaßnahmen
- Organisatorische Schutzmaßnahmen
- Persönliche Schutzmaßnahmen (persönliche Schutzausrüstung)
- Ergonomische Gestaltung von Arbeitsplätzen
- Schulung und Sensibilisierung der Menschen in der Organisation zur Steigerung der Verhaltensprävention und Stärkung der Arbeitsschutzkultur
- Frühzeitige Betrachtung psychomentaler und psychosozialer Belastungspotenziale (Stress, Mobbing, Führungskultur etc.)
Der Dreh- und Angelpunkt ist hierbei jedoch das Verständnis der Führungskräfte und insbesondere der obersten Leitung für die Bedeutung des Themas. Nur wenn Führungskräfte Prävention in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz vorleben und aktiv unterstützen, kann dies auch gelingen.
Wie Untersuchungen zeigen, nehmen psychische Belastungen zu. Was kann man dagegen tun?
Die psychischen Belastungen in der Arbeitswelt nehmen nachweislich zu, was u.a. auf Faktoren wie steigenden Arbeitsdruck, Digitalisierung, Multitasking und häufigere Veränderungen zurückzuführen ist. Psychische Belastungen werden in Unternehmen innerhalb der Gefährdungsbeurteilung erhoben. Maßnahmen, um diese Belastungen zu mindern, sind sowohl auf individueller als auch auf organisationaler Ebene notwendig und müssen wiederkehrend auf ihre Wirksamkeit geprüft werden.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass insbesondere Achtsamkeitstraining, regelmäßige Pausen und klare Abgrenzungen zwischen Arbeit und Privatleben (Work-Life-Balance) sehr wirksam sind. Ebenso sind Maßnahmen auf organisationaler Ebene von großer Bedeutung. Dazu gehört eine gesunde Unternehmenskultur, die Förderung eines sozialen Miteinanders und die Unterstützung durch Führungskräfte. Hierbei sind Maßnahmen wie gesundheitsfördernde Arbeitsgestaltung, flexible Arbeitszeiten und psychologische Sicherheit besonders wirksam. Auch die Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit und die Bedeutung der eigenen Rolle immer wieder vermittelt zu bekommen, stärkt das Selbstwertgefühl, fördert Motivation und Resilienz, und hilft, Stress besser zu bewältigen. Führungskräfte, die empathisch handeln, offene Kommunikation fördern und Unterstützung anbieten, spielen eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung von Stress im Team.
Wie wichtig ist das Thema Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit, und was kann man selbst für sie tun?
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, sich trotz widriger Umstände mental zu stabilisieren und schnell von Stress und Belastungen zu erholen. Menschen mit hoher Resilienz zeichnen sich durch ein aktives, positives Bewältigungsverhalten aus, was es ihnen ermöglicht, auch in schwierigen Phasen stabil zu bleiben. Der Unterschied zwischen Menschen mit mehr oder weniger Resilienz zeigt sich oft in der Art und Weise, wie sie auf Stress reagieren. Personen mit höherer Resilienz sehen in Herausforderungen häufiger Lern- und Wachstumschancen, während weniger resiliente Menschen sich schneller überfordert fühlen und unter Stresssymptomen wie Erschöpfung oder Anspannung leiden. Um Resilienz zu stärken, kann man verschiedene Ansätze verfolgen. Dazu gehören Achtsamkeitstechniken, das Trainieren von kognitiven Bewertungsprozessen (z.B. „Wie bewerte ich eine Situation? Kann ich sie als Lernmöglichkeit sehen?“), der Aufbau eines sozialen Unterstützungsnetzwerks und regelmäßige Reflexion. Studien zeigen, dass resiliente Menschen auch eine ausgeprägte Fähigkeit zur Emotionsregulation haben, d.h., sie können negative Emotionen besser verarbeiten und eine positive Grundhaltung beibehalten. Im Arbeitsalltag hilft es, sich bewusst Pausen zu gönnen, auf Selbstfürsorge zu achten und auch bei hohem Druck realistische Ziele zu setzen, um langfristig belastbar zu bleiben.
Welche Bedeutung hat Resilienz für Unternehmen im Hinblick auf den Arbeitsschutz?
Im Arbeitsschutz geht es nicht nur um die Gesundheit und damit die Resilienz des Individuums, sondern auch um die Resilienz der gesamten Organisation. Der Arbeitsschutz zielt vor allem auf die Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ab. Es geht aber immer auch um den Erhalt der Leistungsfähigkeit der Organisation selbst. Im Grunde ergibt die Summe der Resilienz der Individuen in einer Organisation die Resilienz der Organisation als solche. Wir kennen dieses Phänomen aus Mannschaftssportarten, wo dies gut sichtbar wird. Eine möglichst hohe Resilienz benötigen moderne Organisation, um anpassungsfähig und wandelbar zu sein – insbesondere in einer so schnelllebigen und auf Veränderung sowie Entwicklung ausgerichteten Gesellschaft. Es geht im Arbeitsschutz nicht zuletzt auch darum, dass Menschen sich an ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen, gerne zur Arbeit gehen und dadurch ihr volles Leistungspotenzial bereit sind einbringen. Somit wird Arbeitsschutz im Kontext der Resilienz zu einer wichtigen Win-Win-Situation für die Menschen in der Organisation wie auch für die Organisation selbst.
Was kann ein Unternehmen, was können Führungskräfte für mehr Resilienz der Beschäftigten tun?
Sowohl das Unternehmen übergeordnet als auch die darin wirkenden Führungskräfte können maßgeblich die Resilienz der Menschen in der Organisation beeinflussen - positiv wie negativ. Wie bereits erwähnt, geht es im Grunde darum, dass Unternehmen Rahmenbedingungen schaffen, in denen Menschen sich wohlfühlen und in denen deren Sicherheit und Gesundheit gewährleistet wird. Dies kann durch die verschiedenen bereits angesprochenen Maßnahmen des Arbeitsschutzes erfolgen, die in ein ganzheitliches Betriebliches Gesundheitsmanagement münden. Die drei Säulen: Arbeits- und Gesundheitsschutz, das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) und die Betriebliche Gesundheitsförderung bilden das etriebliche Gesundheitsmanagement (BGM).
Ein zielgerichtetes BGM kann die Resilienz eines Unternehmens deutlich steigern. Führungskräfte haben in allen drei Säulen wesentliche Aufgaben. Wir wissen heute, dass die Kultur eines Unternehmens sowie die Wirkungsweise von Führungskräften erheblichen Einfluss auf das Gesundheitsempfinden der Menschen in der Organisation nehmen. Daher macht es absolut Sinn, dass sich Unternehmen neben ihrem Kerngeschäft auch mit Maßnahmen der Kulturgestaltung beschäftigen und dass Führungskräfte sich ihrer Wirkung und Verantwortung bewusst sind.
Man kann sich dabei gut an den fünf Säulen der positiven Psychologie orientieren, indem man diese proaktiv gestaltet und Maßnahmen anbietet, um die Menschen in einer Organisation in ihrer positiven Potentialentwicklung und somit Resilienz-Stärkung zu unterstützen:
- Positive Emotionen ermöglichen,
- Engagement fördern und Stärken orientiert denken, handeln und führen,
- Beziehungen ermöglichen und positiv gestalten,
- Sinnhaftigkeit und Bedeutung der eigenen Rolle und Tätigkeit erlebbar machen,
- Erfolge sichtbar machen und gemeinsam feiern.
Was empfehlen Sie Führungskräften und auch Chefs, denn die sind sicher auch gefährdet, oder?
Führungskräfte und Chefs stehen oft unter besonderem Druck, da sie nicht nur ihre eigene Leistung, sondern auch die ihres Teams verantworten müssen. Daher ist es wichtig, dass sie auf ihre eigene mentale und körperliche Gesundheit achten und geeignete Maßnahmen ergreifen. Hier einige Empfehlungen: klare Kommunikation, Delegation und Vertrauen aufbauen, Selbstfürsorge und Stressmanagement, Führungskompetenzen stärken.
Wie wichtig sind Eigenverantwortung und Selbstfürsorge?
Sie sind entscheidend für das individuelle Wohlbefinden und langfristige Gesundheit. Eigenverantwortung bedeutet, dass der Einzelne die Kontrolle über seine Handlungen und Entscheidungen übernimmt, um vorbeugend auf seine psychische und physische Gesundheit einzuwirken. Dies ist besonders wichtig, da in der modernen Arbeitswelt die Anforderungen hoch und die Ressourcen oft begrenzt sind. Menschen, die Verantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, erkennen frühzeitig Anzeichen von Überlastung und können präventiv gegensteuern, beispielsweise durch den gezielten Einsatz von Erholungspausen, gesundheitsförderndes Verhalten wie Sport und Achtsamkeit sowie den bewussten Umgang mit Stressoren. Die Bedeutung von Eigenverantwortung zeigt sich auch in der Forschung: Studien zur Stressbewältigung betonen, dass Menschen, die aktiv eigene Bewältigungsstrategien entwickeln, resilienter sind und seltener etwa unter Burnout leiden. Sie entwickeln einen höheren Grad an Selbstwirksamkeit, was das Vertrauen in die eigene Fähigkeit stärkt, herausfordernde Situationen zu meistern. Eigenverantwortung schafft also die Grundlage für Selbstfürsorge, wodurch Stress reduziert und das allgemeine Wohlbefinden gesteigert wird.
Was tun Sie selbst für sich und was wünschen Sie sich für 2025?
Gesundheit und Leistungsfähigkeit sind für mich immer wieder die ersten und wohl wichtigsten Wünsche. Dafür tue ich zudem viel, durch Sport, gute Ernährung, Achtsamkeit und auch Freundlichkeit im Umgang mit anderen Menschen. Das ist gut für die Seele. Für MAS wünsche ich mir 2025 einen erfolgreichen Start und viele gute Projekte im Rahmen unserer Strategie2030, die uns gemeinsam weiterbringen. Und von der nächsten Bundesregierung wünsche ich mir Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft und Bildung. Das sind in meinen Augen die Schlüsselkompetenzen, die Deutschland braucht, um Schritt halten zu können.
Zur Person:
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Interview: Maja Becker-Mohr
Fotos: Gerd Scheffler
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