Werkzeuge für Nobelpreisträger

Präsidentin von Leica Microsystems

Wirtschaftszeitung Aktiv vom 18. November 2023

 

Chefin-Interview Dr. Annette Rinck von Leica Microsystems unterstützt Wissenschaftler bei der Suche nach Antworten auf wichtige Fragestellungen

Leica Microsystems in Wetzlar ermöglicht mit seinen Mikroskopen und Systemen Einblicke, die sonst verborgen bleiben – hilft so zum Beispiel beim Kampf gegen Krebs oder etwa bei der Qualitätskontrolle in der Industrie. aktiv sprach mit Dr. Annette Rinck, Präsidentin des Unternehmens, über ihre Leidenschaft für die Kunden in der Wissenschaft, zu denen auch Nobelpreisträger zählen.

Frau Dr. Rinck, was ist für Sie das Besondere an Leica Microsystems?

Unser Name steht für 175 Jahre Innovation, und zwar wegweisende Innovation. Dabei geht es immer darum, das Unsichtbare sichtbar zu machen. Denn wir entwickeln Mikroskope und Systeme für die Bildgebung und Analyse von Makro-, Mikro- und Nanostrukturen. So haben wir die ersten in Serie gebauten Mikroskope mit superauflösender STED Mikroskopie auf den Markt gebracht. Diese Technologie erhielt den Nobelpreis und wird von Wissenschaftlern auf der ganzen Welt genutzt, darunter auch Nobelpreisträger. Solche Systeme stehen im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, im Institut Pasteur in Paris, einem der führenden Grundlagenforschungszentren für Biologie und Medizin, und in vielen weiteren Forschungseinrichtungen in der ganzen Welt.

Das Mikroskop Mica: Ein hochautomatisiertes Mikroskopsystem,  das der Wissenschaft bahnbrechende Erkenntnisse ermöglicht

Was fasziniert Sie dabei besonders?

Ich suche die Nähe zu unseren Kunden, um sie und ihre Arbeit kennenzulernen, damit wir die für sie passenden Lösungen entwickeln. Es berührt mich, zu erleben, in welche Welten heute Wissenschaftler vordringen. Sie wollen verstehen, warum sich bei bestimmten Zellstrukturen eine Demenz bei dem einen Menschen schneller ausbreitet als bei einem anderen. Oder warum Bauchspeicheldrüsenkrebs so rasant voranschreitet. Und das geht, weil man mit unseren Mikroskopen sogar lebende Zellen untersuchen kann. An der amerikanischen Stanford-Universität wird so zum Beispiel erforscht, welchen Einfluss der Blutdruck auf die Lunge hat. Vom puren Hardware-Anbieter, der High-End-Mikroskope entwickelt, werden wir immer mehr zum Lösungsanbieter im High-End-Bereich. Insbesondere, wenn es um die Analyse der Bilder geht, die unsere Systeme offenbaren.

Gehören zu solchen Lösungen auch neue Technologien wie künstliche Intelligenz?

Die Technologie zur Bildgebung ist das eine, aber die dann notwendige Bildanalyse wird immer komplexer, und es müssen dafür gigantische Datenmengen gesichtet werden. Deshalb werden KI-Tools in Zukunft eine entscheidende Rolle bei der Lösung der Herausforderungen der Bildanalyse spielen - und wir sind dabei und bieten bereits mit AVIA eine am Markt seit mehreren Jahren sehr erfolgreiche KI-basierte Analysesoftware an. Wir sehen die Vorteile der Machine- und Deep-Learning-Tools, die wir in unseren Innovationen berücksichtigt haben. Sie sind zuverlässig, reproduzierbar, intuitiv und effizient. Man muss kein Bildanalyseexperte mehr sein, um Proben zu analysieren. So ein System stellt sich automatisch auch auf verschiedene Nutzer ein. Und KI-Tools können Daten schneller analysieren als herkömmliche Werkzeuge – das spart der Wissenschaft jede Menge Zeit bei der Suche nach Lösungen im Kampf gegen Krebs, Alzheimer oder auch andere Krankheiten.

Welche Schwerpunkte setzen Sie bei Forschung und Entwicklung im Unternehmen?

Forschung und Entwicklung spielen zusammen mit unserer Kultur, unseren Kunden zuzuhören, um Bedürfnisse zielgerecht in Lösungen und Produktangebote umzusetzen, eine wichtige Rolle für unseren Erfolg – jetzt und in der Zukunft. Wir investieren deshalb unter anderem in Innovationszentren in Kundennähe, akademische Spitzen-Institutionen sowie Forschungseinrichtungen und Labore. Zugleich intensivieren wir in strategische Partnerschaften zum Beispiel mit dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie in Heidelberg oder in der Mikrochirurgie mit führenden Neurochirurgen und Universitäten – und nicht zuletzt auch bei der Qualitätskontrolle in der Industrie.

Was sind aktuell Ihre größten Herausforderungen?

Leica ist ein globales Unternehmen, das die gesamtwirtschaftlichen und geopolitischen Herausforderungen mit einer klaren Strategie und Zielen sowie kontinuierlichen Verbesserungen angeht. Dabei haben wir unsere Fokussierung auf Innovationen basierend auf den Bedürfnissen unserer Kunden immer vor Augen. Zudem können wir als Teil der amerikanischen Unternehmensgruppe Danaher die Erkenntnisse und Erfahrungen anderer Unternehmen des Konzerns sehr gut nutzen, um Herausforderungen in Vorteile für das Unternehmen, die Mitarbeiter und unsere Kunden umzuwandeln.

Wie wichtig sind Ihnen Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion, im Englischen Diversity, Equity and Inclusion, kurz DEI?

Wir sehen DEI bei unseren gut 3.000 Beschäftigten als Treiber für Wachstum und Innovationen an. Vielfalt und Zugehörigkeit bereichern uns und sind für unsere Kultur von entscheidender Bedeutung. Als Unternehmen stehen wir an der Spitze der Wissenschaft und befähigen unsere Kunden, eine bessere und gesündere Welt zu schaffen. Unsere Teams mit ihren unterschiedlichen Hintergründen, differenzierten und agilen Denkweisen und Fähigkeiten sind in ihrer Vielfalt Rückgrat und Treiber unserer Kultur und unseres Erfolgs. Deshalb engagieren wir uns auch aktiv für DEI. Nicht zuletzt mit Partnerschaften wie etwa Mentoring Hessen oder die Unterstützung von FemTec zur Förderung von Studentinnen in MINT-Fächern.

Wie sehr belastet Sie der Fachkräftemangel?

Die Suche nach Fachkräften ist natürlich auch bei uns ein Thema. Ich glaube aber, dass wir mit dem, was wir tun, nämlich das Leben und die Gesundheit von Menschen positiv beeinflussen, ein attraktiver Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt sind. Menschen suchen nach sinnstiftender Arbeit, in die sie sich selbst und ihre Ideen einbringen und auch weiterentwickeln können. Das können wir bieten – als globales Unternehmen und nicht zuletzt als Teil der transnationalen Danaher Corporation.

Höchste Präzision: Produktmanager Dr. Patric Pelzer  beim Einlegen einer Probe ins Mikroskop Mica

Warum haben Sie sich entschieden, zum Januar 2022 zu Leica Microsystems zu wechseln?

Der erste Grund war das Unternehmen selbst. Die Möglichkeit, Leica Microsystems in die Zukunft zu führen, mit einer Wachstums- und Innovationsstrategie mit den wirkungsvollsten Lösungen für die wichtigsten Kundenbedürfnisse. Und dies mit einem Team, das für Kundenfokus, höchstanerkannte Fachkenntnisse, Innovationen und einem hervorragenden Teamspirit steht. Zudem beeindruckte mich die Mission und der Einfluss, den wir mit unserer Arbeit für die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen haben. Und drittens reizte mich das Unternehmen Danaher. Es ist ein weltweit führender Innovator in den Bereichen Life Sciences und Diagnostik, der dazu beiträgt, viele der weltweit wichtigsten Herausforderungen im Gesundheitswesen zu lösen. Danaher ist unter anderen Unternehmen bekannt für seine starke Führung, höchste operative Exzellenz mit dem Danaher Business System (DBS), gelebte Werte mit DEI (Diversity, Equity and Inclusion) und seine starke Positionierung mit „Innovation at the speed of life“: Letztendlich wird die Lebensqualität von Milliarden von Menschen verbessert und gleichzeitig der Grundstein für eine gesündere, nachhaltigere Zukunft gelegt.

Im Juni wurden Sie in den Hochschulrat der Philipps-Universität Marburg berufen. Bedeutet das für Sie eher Ehre oder eher Arbeit und Verpflichtung?

Die Zusammenarbeit mit Hochschulen, mit wissenschaftlichen Einrichtungen, ist sehr wichtig für mich. Die Berufung in den Hochschulrat der Philipps-Universität Marburg bedeutet für mich eine Ehre für Leica Microsystems und eine positive Verpflichtung für mich, die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft für Studierende und für die Weiterentwicklung der Hochschulausbildung zu schaffen. Und nicht zuletzt für die Anforderungen in der Zukunft weiterzuentwickeln.

Was tun Sie, um fit zu bleiben für Ihre täglichen Aufgaben und Herausforderungen?

Es ist mir sehr wichtig, Zeit mit meiner Familie und Freunden zu verbringen, und einen Ausgleich durch Sport und Aktivitäten in der Natur zu schaffen. Energie zu tanken für die Verantwortlichkeiten, die ich zusammen mit meinem Führungsteam für unsere Beschäftigten und Kunden habe, ist nicht nur wichtig für mich, sondern es ist auch wichtig, dass jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter sich erholen und entsprechend „die Batterie aufladen kann“.

 

Zur Person:

  • Dr. Annette Rinck ist in Landau in der Pfalz geboren
  • Promovierte Wirtschaftswissenschaftlerin – Bereich angewandte Wirtschaft und Kommunikation
  • Leitende Managementpositionen bei verschiedenen Unternehmen, zuletzt bei Honeywell
  • Präsidentin von Leica Microsystems seit April 2022

Interview: Maja Becker-Mohr

Fotos: Gerd Scheffler

Dr. Annette Rinck an einem Monitor,  dem Teil eines Mikroskopsystems:  Zu sehen ist gefärbtes Lungengewebe einer Maus.
Leica Mikrosysteme  GmbH

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