Von der Cola-Dose bis zum neuen Hüftgelenk
Chef-Interview: Fabian Moos vom Schleifmaschinen-Spezialisten Overbeck in Herborn über die hohe Kunst der Werkstoff-Bearbeitung
Seit 100 Jahren steht Overbeck im mittelhessischen Herborn für Präzision im Bereich Innen-, Außen- und Radiusschleifen und findet den richtigen Schliff sogar für ausgefallene Materialien. aktiv besuchte den Geschäftsführer Fabian Moos, der hier einst als Dual Studierender startete.
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 7. September 2024
Herr Moos, Sie feiern in diesem Jahr 100 Jahre Overbeck. Wofür steht der Name?
Es ist der Name unseres Firmengründers Gustav Overbeck. Er startete 1924 mit einer Werkstatt für Feinmechanik hier in Herborn. Schon bald stellte sein Unternehmen Spezialmaschinen her, zum Beispiel zum Bohren und Polieren. Später spezialisierte er sich auf Schleifmaschinen und heute steht der Name für höchste Kompetenz, wann immer es um das Innen- und Radius-Schleifen geht. Und das weltweit. Rund um den Globus gibt es vielleicht noch zwei oder drei andere Unternehmen, die mit unserem Know-how mithalten können.
Worin genau liegt diese hohe Kompetenz?
Wie viele andere Spezialmaschinenbauer sind auch wir im µ-Bereich unterwegs. Das heißt, mit unseren Maschinen lassen sich Werkstücke mit allerhöchster Präzision schleifen - auf Tausendstel Millimeter genau. Präzision ist wichtig, wenn Teile perfekt passen sollen, um zum Beispiel Verschleiß oder auch Lärm zu minimieren und kein Material zu verschwenden. E-Bike-Getriebe etwa müssen schon sehr genau geschliffen sein, damit sie beim Fahren keine störenden Geräusche machen. Dabei können unsere Maschinen nicht nur alle möglichen Metalle bearbeiten, sondern auch besondere Materialien wie Hartmetalle oder Spezialkeramiken.
Und je nach gewünschter Anwendung entwickeln Sie dann die passende Maschine?
Ja. So eine Schleifmaschine macht dann Rundungen wirklich rund, verwandelt Stahlringe in perfekte Zahnräder oder verpasst Keramikkugeln eine exakte Kontur für die Anpassung einer künstlichen Hüfte. Auch die meisten Bier-, Wasser-, Cola- und Soda-Dosen oder sogar Batteriegehäuse, Stichwort E-Mobilität, werden mit Werkzeugen hergestellt, die mit unseren Maschinen geschliffen wurden. Wir sind aber auch in der Luft- und Raumfahrt-Industrie unterwegs, im Automobilsektor, Maschinenbau und mehr.
Das bedeutet, Vielfalt ist hier Trumpf?
Ja. Sie ist ein wichtiger Teil unserer Unternehmensstrategie. Eine breite Aufstellung, was das Kundenspektrum angeht, waren bei Overbeck schon immer die Devise. Seit 2002 gehören wir zu Danobat mit Sitz in Elgoibar im Baskenland. Die Genossenschaft hat 650 Mitarbeiter weltweit und ist auf hochpräzise Werkzeugmaschinen und Produktionssysteme spezialisiert. Wir ergänzen uns wunderbar. Danobat ist wiederum Teil der baskischen Mondragón, mit 70.000 Beschäftigten eine der größten Unternehmensgruppen Europas.
Wie ist es, als mittelständisches Unternehmen Teil so eines Weltkonzerns zu sein?
Wir erfahren viel Respekt für unsere Erfahrung und unser Können. Overbeck steht für Expertise im Bereich Innenschleifen und wir sind ein wichtiger Standort für den Verkauf und Service im DACH Gebiet für mehrere Geschäftsbereiche im Konzern. Wir können das Know-how des Konzerns nutzen, und beispielsweise durch unsere enge Zusammenarbeit mit Ideko, dem Forschungszentrum der Danobatgroup, ständig an der Spitze der Technologie bleiben. Etwa 8 Prozent des Umsatzes fließen in Forschung und Entwicklung. Das hilft uns sehr, um mit innovativen Lösungen bei den Kunden zu punkten.
Klingt nach einem guten Erfolgskonzept ...
Ja. Wir sind dadurch sehr innovativ und erobern uns neue Branchen, darunter Zukunftsindustrien wie Medizintechnik oder grüne Energie. Läuft es in einer Abnehmerbranche mal nicht so gut, fangen wir das durch Aufträge in anderen Branchen ab. Wir gehören wohl zu den wenigen Firmen des Maschinenbaus, die sich aktuell nicht beklagen können. Aber man muss immer dranbleiben, um Technologieführer zu sein.
Wie digital ist Overbeck?
Wir sind schon sehr weit, aber die Maschinen sollen noch digitaler werden. Zum Beispiel soll die Überwachung der Prozesse in Echtzeit in den Maschinen Standard werden. Daran arbeiten wir gerade gemeinsam mit der TU Darmstadt. Neuentwicklungen werden stets zuerst digital analysiert und verbessert, in Zusammenarbeit mit Ideko, und nach dem Bau mit modernster Ausrüstung verifiziert. Von solchen Möglichkeiten kann ein normaler Mittelständler nur träumen.
Ist Nachhaltigkeit bei Ihnen ein Thema?
Ja, aber in zweierlei Hinsicht. Wir tun sehr viel im Sinne des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung. Zum Beispiel betreiben wir ein Blockheizkraftwerk. Wir verstehen Nachhaltigkeit aber auch als Auftrag, nicht alles auf Wachstum auszurichten, sondern Unternehmens-Entscheidungen, auch etwa bei Investitionen so zu treffen, dass wir dauerhaft stabil und gut dastehen. Langfristig ist genau das gut für Overbeck, für Danobat und für die Menschen, die auch in Zukunft hier einen guten Arbeitsplatz haben können.
Können Sie denn trotz Fachkräftemangel noch alle Stellen besetzen?
Ja, die Herausforderung, insbesondere junge Menschen für die M+E-Branche zu begeistern, wird jedoch immer größer. Wir tun viel für unsere Belegschaft und sind in der Lage, die besten Talente für unser Unternehmen zu gewinnen. 2008 traf die damalige Geschäftsleitung die weise Entscheidung, wieder auszubilden und nahm dafür richtig Geld in die Hand. Ausbildung ist eine große Investition, aber es lohnt sich. So gut wie alle Fach- und Führungspositionen besetzen wir heute aus den eigenen Reihen. Wir bilden vorrangig Mechatroniker aus. Die meisten werden dann Servicetechniker, lernen weiter von den Älteren, um diese ersetzen zu können, wenn sie in Rente gehen. Da alle in der Produktion reisen müssen, um ihre hier gebaute Maschine vor Ort in Betrieb zu nehmen - egal ob der Kunde in Italien oder in China sitzt -, ist es für keinen zu viel. Wer mag, kann bei uns innerhalb der Gruppe auch in andere Werke wechseln, um so andere Länder und Kulturen kennenzulernen.
Wie sind Sie zu Overbeck gekommen?
Ich war hier der erste Dual Studierende. Als Projektingenieur und Produktmanager habe ich dann ebenfalls viel von der Welt gesehen. Hier im Unternehmen habe ich übrigens meine Frau kennengelernt. Sie kam von der Danobat-Zentrale im Baskenland, um mal in Deutschland zu arbeiten - und ist geblieben: Zum absoluten Glück für mich.
Wo sehen Sie als Maschinenbauer aktuell die größte Herausforderung für die Zukunft?
Es wird für den Maschinenbau, letztlich sogar für die gesamte Industrie in Deutschland immer mehr zur Herausforderung, sich am Standort hier zu behaupten. Andere lernen schnell und haben viel weniger Hürden zu bewältigen als wir. Aus China kommt schon lange nicht nur billiges Spielzeug, sondern man verkauft dank staatlicher Unterstützung für kleines Geld Smartphones, E-Autos und eben auch Maschinen in die ganze Welt. Importiert werden Spezialitäten und Technologien, die man noch nicht so draufhat. Noch sind es einfache Maschinen, aber das Lernen geht weiter. Wir müssen alle Kräfte verwenden, um innovativ zu bleiben, neue Ideen schnell umzusetzen, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen und so die Technologieführerschaft zu halten. Nachhaltigkeit wird für die Zukunft ein weiteres wichtiges Thema sein, um auch in diesem Sinn Unternehmen für die nächsten Generationen gut aufzustellen und eine Vorreiterrolle in der Welt zu übernehmen. Es wäre gut, wenn unser Staat und auch die EU die Industrie dabei mehr unterstützen würden, zum Beispiel durch Bürokratieabbau und Entlastung bei den Kosten.
Warum ist Overbeck Mitglied bei HESSENMETALL?
Der Verband bietet uns als Mitglied umfangreiche Dienstleistungen, von der arbeitsrechtlichen Beratung und Vertretung oder wichtigen Infos aus der Arbeitswissenschaft bis zu einem hervorragenden Weiterbildungsangebot. Zudem schätzen wir das tolle Netzwerk auf Landes- und auch auf regionaler Ebene. Auf den verschiedenen Veranstaltungen hört man auch mal Interessantes aus ganz anderen Bereichen. Das weitet den Horizont und gibt Impulse für neue Ideen.
Fabian Moos:
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Interview: Maja Becker-Mohr
Fotos: Gerd Scheffler
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