CEO-Interview mit Jörg Reger
„Ein Cobot arbeitet sehr rücksichtsvoll“
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 14. November 2020
Chef-Interview - Jörg Reger von ABB Robotics
Friedberg. Bei der Digitalisierung und Automatisierung von Fertigungsprozessen gilt ABB Robotics mit deutschem Stammsitz in Friedberg als eines der global führenden Unternehmen. Mit rund 10.000 Beschäftigten in aller Welt wurden bisher über 400.000 Roboterlösungen installiert. aktiv sprach mit Jörg Reger, Leiter der Robotik-Division von ABB in Deutschland, über die Faszination einer Technologie, die immer mehr zum Freund und Helfer wird.
Was ist das Besondere an ABB Robotics in Friedberg?
Hier ist der Hauptstandort von ABB Robotics mit gut 550 Mitarbeitern sowie unser rund 1000 Quadratmeter großes Technologiezentrum für die Automation. Zudem betreiben wir hier das weltweit größte Trainingszentrum für Robotik bei ABB, damit unsere Kunden beziehungsweise deren Mitarbeiter lernen können, wie unsere Anlagen genau funktionieren, wie sie gesteuert werden und was man beim Einsatz rund um die Uhr beachten muss.
Es geht also immer um Roboter?
Ja und Nein. Roboter sind natürlich unser Kernprodukt. Aber wir sind eben nicht nur Roboterlieferant, sondern wir entwickeln auch die dazu passende Software oder sogenannte Funktionspakete zum automatischen Schrauben, Kleben, Schweißen oder Verpacken. Auf Wunsch gibt es natürlich auch komplette Produktions- und Montagelinien. Innerhalb der Robotics-Branche sind wir eine der führenden Firmen – und wir haben den Anspruch, weltweit die Nummer eins zu werden.
Haben Sie einen Lieblingsroboter?
Ja, das ist YuMi, ein kollaborativer Roboter, kurz Cobot, mit zwei Armen. YuMi ähnelt in seinen Dimensionen einem Menschen. Sein Design ist auf Sicherheit ausgelegt, beispielsweise mit moderater Geschwindigkeit und Kraft sowie abgerundeten und gepolsterte Oberflächen, damit niemandem etwas passiert. Deshalb kann er auch mit Menschen Hand in Hand arbeiten. Auf Messen ist er der Renner, wenn er Getränke einschenkt oder sich mit einem Besucher im Arm selbst fotografiert. Auch Kinder lieben YuMi, die haben gar keine Scheu.
Ein Konzept mit Zukunft also …
Ganz sicher! Cobots wie YuMi sind sehr rücksichtsvoll, anders als die Roboter, die noch in einem Käfig arbeiten. Aber die Käfige werden aus der Produktion verschwinden. Sind Wartungsarbeiten durch Menschen nötig, fährt das System kurz runter, ist der Mensch weg, geht es sofort wieder in die Höchstgeschwindigkeit. Im Moment muss man Systeme noch komplett abschalten, aber das ist auf Dauer zu zeitintensiv und damit zu teuer. Zudem werden die Systeme einfacher werden, damit auch kleine Betriebe sie leichter einsetzen können. Und alles wird immer mehr vernetzt werden.
Wie beeinflusst Corona die Entwicklung?
Corona hat da letztlich einen enormen Schub gegeben. Wir haben unsere Kunden über Ferndiagnose und Fernwartung unterstützt und einige unserer Services kostenfrei zur Verfügung gestellt. Vorher konnte sich das doch kein Mensch vorstellen! Jetzt haben viele verstanden, was Digitalisierung und Vernetzung wert sind. Und auch, dass eine vorausschauende Wartung wirklich Sinn ergibt. Von den zigtausend Robotern, die wir bisher allein in Deutschland installiert haben, sind schon einige vernetzt, Tendenz steigend.
Vor allem im Bereich Automotive?
Viele, aber nicht alle. Wir sind überall unterwegs, zunehmend auch in der Lebensmittel- und Pharma-Industrie und in der Logistik. Warenverteilzentren sind hochautomatisiert. Und wir sind dabei, wenn in Zukunft auch Regalsysteme im Supermarkt mit Herstellern und Logistikzentren vernetzt sind: Steigt die Nachfrage, wird der Nachschub automatisch organisiert und rechtzeitig geliefert.
Text: Maja Becker-Mohr
Zur Person: Jörg Reger
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