CEO-Interview mit Karsten Stückrath
1.500 Grad heißes Gas ist unsere Spezialität
Wirtschaftszeitung AKTIV vom 5. Juni 2021
Chef-Interview Karsten Stückrath von Schmidtsche Schack über Anlagenbau extrem
Kassel. Wenn in einer Chemie-Anlage oder einer Raffinerie rund um den Globus extrem heiße Dämpfe und Gase entstehen, kommen fast immer die Prozessgaskühlsysteme von Schmidtsche Schack ins Spiel. Denn das Kasseler Unternehmen ist mit 400 Mitarbeitern der führende Hersteller von Prozesswärmeübertragungslösungen. Geschäftsführer Karsten Stückrath sprach mit HESSENMETALL über den Reiz der Extreme und nachhaltige Produkte, die es hier seit über 100 Jahren gibt.
Herr Stückrath, was ist das Besondere an SCHMIDTSCHE SCHACK?
Wir produzieren hochspezialisierte, maßgeschneiderte Prozessgaskühl- und Wärmerückgewinnungs-Systeme. Die werden gebraucht, wenn in der Groß-Industrie Basis-Chemikalien wie Wasserstoff, Methanol und Ammoniak hergestellt werden oder auch Ethylen und Propylen, die Basisprodukte der Kunststoffindustrie. Großkonzerne wie DOW, BASF, Shell und ExxonMobil zählen zu unseren Kunden und die schaffen die Ausgangsstoffe, ohne die es weder Auto, Handy, Laptop, Sonnenbrille und sogar Zahncreme gäbe.
Haben Sie keine Wettbewerber?
Die haben wir auch, aber wir sind sicher die innovativsten Anbieter am Markt, wenn es um industrielle Hochtemperatur- und Hochdruckprozesse sowie knifflige Aufgabenstellungen geht. Wir setzen da Maßstäbe. Unsere Systeme funktionieren selbst im Extremen. Der Umgang mit 1.500 Grad heißem Gas und extremem Druck ist sozusagen unsere Spezialität. Dabei unterstützen wir die Betreiber, ihre Anlagen effizienter zu fahren durch gezieltes Energie- und Prozessmanagement, das heißt, die Wärme wird zurückgeführt in den Prozess. Und es ist sogar möglich, aus den Abgasen Reststoffe herauszuziehen, die dann ebenfalls in den Prozess zurückgeführt werden können. So helfen wir, Emissionen zu reduzieren und natürliche Ressourcen zu schonen.
Demnach ist Nachhaltigkeit auch bei Ihnen ein Thema?
Ja. Schon unser Gründer Wilhelm Schmidt hatte vor über 100 Jahren die Vision, Energie so effizient wie möglich zu nutzen und durch Wärmerückgewinnung Ressourcen zu sparen. Also erfand er einen Dampfüberhitzer, der die Leistung von Dampflokomotiven um 30 Prozent erhöhte, obwohl sie weniger Kohle verbrauchte. Effizienz und Erfindungsreichtum sind Teil unserer Geschichte und seine Vision treibt uns bis heute an.
Was heißt das konkret?
Bei allen Projekten wollen wir Energie zurückgewinnen, Emissionen reduzieren und Rohstoffe wiederverwenden. Wir nennen diesen Ansatz „R3 – Recover. Reduce. Reuse.“. Unsere Kompetenz eröffnet uns weltweit neue Geschäftsgebiete, weil uns alle der weltweite CO2-Ausstoß, der Umgang mit wachsenden Müllbergen umtreiben und wir auch beim Thema Wasserstoff helfen können. Beim Umgang mit Abfall haben wir schon viele Projekte begleitet. In einer Pilotanlageim Westen der USA helfen unsere Systeme bereits dabei, aus Abfall Kerosin zu gewinnen. Und wir sind Teil des Projektes Verena, bei dem Universitäten und Industrieunternehmen unter der Leitung der TU Darmstadt gemeinsam an Verfahren arbeiten, damit aus nicht recycelbaren Reststoffen neue Grundstoffe für die chemische Industrie entstehen, zum Beispiel Ethylen.
Was ist für Sie eine Herausforderung?
Wenn man von solchen kniffligen technischen Aufgaben einmal absieht, stehen wir hier regelmäßig vor der Herausforderung, unsere Produkte auf den Weg zum Kunden zu bringen. Diese Systeme sind oft zig Meter lang und ein paar hundert Tonnen schwer. Der Weg für solche Schwerlasttransporte von Kassel bis zur Verschiffung in einem Seehafen wird akribisch geplant und kostet uns immer wieder Nerven, vom Genehmigungsverfahren bis zu maroden Brücken, die wir bei diesen Gewichten nicht nutzen können.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung?
Seit ein paar Jahren bieten wir unseren Kunden eine digitale Lösung für detaillierte Diagnose- und Prognose-Informationen über die bei Ihnen verbauten Produkte an. Intelligente vorausschauende Wartungslösungen sind auch bei unseren langlebigen Produkten wichtig, um Anlagen effizienter zu fahren. Prozesse werden transparenter und berechenbarer. Aus den Betriebsparametern können wir mit Hilfe Künstlicher Intelligenz Handlungsanleitungen für die Kunden entwickeln. Zero.One ist der Name unseres neuesten Instruments, um das Management von Wärmeübertragungssystemen in der Prozessindustrie zu revolutionieren. Auch hier sind wir in der Branche der Vorreiter – aber das sind wir gern.
Warum sind Sie Mitglied von HESSENMETALL und im Vorstand der Bezirksgruppe Nordhessen aktiv?
Neben der Unterstützung bei betrieblichen Belangen, zum Beispiel bei allen arbeitsrechtlichen Fragen, bietet HESSENMETALL seinen Mitgliedern ein wirklich hervorragendes Netzwerk von inzwischen über 650 Mitgliedsunternehmen. Daneben gibt es aber auch gute Kontakte zu Hochschulen und sonstigen Institutionen. Zudem können in einem Verband wie HESSENMETALL Unternehmen ihre Interessen bündeln. Gemeinsam ist man einfach stärker und hat eher eine Chance, Interessen durchzusetzen – nicht zuletzt, wenn es um die Entwicklung auf Tarifebene geht. Mir macht es Spaß, Dinge mitzugestalten und meine Meinung in Gremien einzubringen. Deshalb musste ich nicht lange überlegen als ich 2014 gefragt wurde, ob ich für den Mitgliederrat und anschließend für den Vorstand in Nordhessen kandidieren würde.
Zum Unternehmen:
SCHMIDTSCHE SCHACK – Arvos Group
1994 fusionierte die Schmidt’sche Heißdampfgesellschaft in Kassel mit der Düsseldorfer Rekuperator-Schack GmbH. Seit 2014 sind die Firmen als SCHMIDTSCHE SCHACK – Arvos Group gemeinsam aktiv und steigern in über 80 Ländern weltweit die Effizienz von chemischen, petrochemischen und metallurgischen Prozessen durch den Einsatz von hochmodernen Wärmerückgewinnungssystemen. Das Unternehmen beschäftigt 400 Mitarbeiter, davon 240 am Firmensitz in Kassel, und gehört zum Private Equity-Unternehmen Triton. Neben den weiteren deutschen Niederlassungen in Lohfelden und Düsseldorf gibt es Standorte in den USA, in Japan, Indien, China und Singapur. Die Exportquote liegt zwischen 90 und 95 Prozent.
Zur Person: Karsten Stückrath
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