Wir wachsen mit der Leiterplatte
Chef-Interview: Oliver Brückmann, Geschäftsführender Gesellschafter von Brückmann Elektronik in Lahnau, über Unternehmertum und seine Devise, Kundenanfragen immer als Chancen zu sehen
Gestartet als Ein-Mann-Betrieb zum Bestücken von Leiterplatten hat sich Brückmann Elektronik in knapp 50 Jahren zu einem etablierten Dienstleister gemausert, der für seine Kunden neben komplexen Platinen auch komplette Geräte und Schaltanlagen produziert. aktiv besuchte den Geschäftsführenden Gesellschafter Oliver Brückmann am Stammsitz in Lahnau, wo jeden Tag mehr als 250.000 Bauteile verarbeitet werden.
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 5. Oktober 2024
Herr Brückmann, was zeichnet Brückmann Elektronik aus?
Wir sind ein klassischer Dienstleister im Elektronikbereich, sehr innovativ und stark im Electronic Manufacturing Service, kurz EMS. Das heißt, wir entwickeln und fertigen elektronische Baugruppen, Schaltanlagen und Steuerungen nach Kundenwunsch und bei Bedarf sogar komplette Geräte. Irgendwann wollten Kunden mehr als bestückte Leiterplatten. Darauf haben wir reagiert, uns die entsprechenden Kompetenzen angeeignet, wenn nötig neue Maschinen angeschafft und geliefert. Und so reagieren wir auf Herausforderungen bis heute. Man muss Chancen wahrnehmen, die sich im engen Kontakt mit den Kunden ergeben, und ihnen Lösungen für ihre Fragestellungen bieten, schnell und unkompliziert. Dann läuft’s.
Und es läuft gut bei Ihnen?
Ja, entgegen dem allgemeinen Trend in der Industrie läuft es bei uns gut. Dreh- und Angelpunkt ist die Elektronik. Man könnte auch sagen: Wir wachsen mit den Leiterplatten oder mit den Kunden, die neue Produkte und neue Technologien einführen. Was mal als Ein-Mann-Betrieb begann, ist heute eine Firmengruppe mit 300 Beschäftigten - allein 2023 haben wir 36 neue Mitarbeiter eingestellt - und einem Umsatz von 37 Millionen Euro in 2023. 2020 lag dieser noch bei rund 21 Millionen Euro.
Brückmann ist sogar eine ganze Firmengruppe?
Ja. Zur Brückmann Elektronik gehören die Firmen Brückmann Hard- und Software, BE Gerätebau Waldgirmes sowie die BE Kabel-und Schlauchpaketfertigung. Neben kompletten Geräten wollten manche Kunden auch die passenden Leitungen, denn Steuerschränke, Maschinen, Roboter, Pneumatik und mehr brauchen Strom und müssen miteinander verbunden werden. So kamen Kabel und Schlauchpakete dazu. Insgesamt haben wir im letzten Jahr über 1,4 Millionen Produkte verkauft und dafür mehr als 50 Millionen Bauteile verarbeitet.
Wo landen all diese Produkte?
In Messgeräten, Mikroskopen, Hochleistungs-Scannern oder High-Speed-Kameras. In der Halbleiterindustrie und der Energiewirtschaft, in Schwimmbädern, Reithallen und Flugzeugküchen, in Autos und in der Formel 1, in Kränen und in der Türsteuerung auf Kreuzfahrtschiffen. Wir sind offen für alle Branchen. Die Vielfalt macht’s. Wir können Einzelteile und Serie und gehen gerne auch mit ausgefallenen Herausforderungen um. Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie haben wir zum Beispiel schon Platinen für Beatmungsgeräte bestückt und am Ende 7500 komplette Elektroniksätze dafür geliefert.
Wie kam es zur Gründung von Brückmann Elektronik?
Mein Vater gründete das Unternehmen 1976, um nach Feierabend bei uns im Keller Platinen zu bestücken. Sein Arbeitgeber, ein US-Automobilzulieferer, hatte die Produktion ausgelagert. Aber das beauftragte Subunternehmen lieferte keine gute Qualität. Mein Vater sprang ein - überzeugt davon, dass er das besser kann. Meine Mutter kümmerte sich um das Kaufmännische, er um die Kunden und alles Technische – und das alles neben dem normalen Job. 1984 kündigte zuerst meine Mutter ihre Anstellung um sich vom Einkauf über die Arbeitsvorbereitung, Fertigung, Lieferscheine, Rechnungen und Buchhaltung um alles zu kümmern. Dann kündigte mein Vater 1986 seine Festanstellung und konnte sich endlich ganz der eigenen Firma widmen. Ab da florierte der Betrieb so richtig, weil die Eltern eben Chancen erkannte und mit Schnelligkeit und Qualität punkteten.
Wollten Sie schon immer hier Chef werden?
Nein. Mein Bruder Hans-Martin, mit dem ich die Firma heute gemeinsam leite, und ich waren schon als Kinder immer im Betrieb dabei. Bei der Berufswahl ließen uns unsere Eltern aber alle Freiheiten. Bei knapp 30 Beschäftigten wusste damals keiner, wie sich die Firma weiter entwickeln würde. Hans-Martin studierte Informatik und ich Raum- und Städteplanung und ich wurde Städteplaner. Brückmann Elektronik war zu dem Zeitpunkt fest am Markt etabliert und mein Vater bot mir eine Stelle als Assistent der Geschäftsleitung an. Ich nahm die Chance wahr und studierte parallel dazu Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule Gießen-Friedberg. Auch mein Bruder kam dann nach seinem Studienabschluss in unser Familienunternehmen und bringt seitdem Brückmann konsequent in die digitale Zeit.
Wie digital ist Ihr Unternehmen schon?
Die Digitalisierung gehört für uns seit den frühen 90er Jahren dazu und sie ist Teil unseres Erfolges. Unsere Ansätze sind in der Regel Insellösungen, die zunehmend vernetzt werden. Die Digitalisierung hilft uns, Prozesse zu automatisieren, zu rationalisieren, Transparenz zu schaffen und Aufwand zu reduzieren. Die Transformation, also Veränderung und Anpassung an neue Technologien und das, was die Kunden von uns benötigen, nämlich Elektronik mit hoher Verfügbarkeit zu bezahlbaren Preisen, ist bei uns seit jeher Tagesgeschäft. Transformation bedeutet für uns aber auch, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen, sie zu unterstützen und weiterzuentwickeln durch Weiterbildungen. Denn ohne sie kann die Transformation nicht gelingen.
Sie pflegen enge Kontakte zu verschiedenen Hochschulen und Bildungseinrichtungen. Warum?
Ein enger Kontakt zu solchen Bildungseinrichtungen ist für uns wichtig, um nah an technischen Entwicklungen zu sein, gemeinsam zu forschen und Lösungen zu entwickeln und nicht zuletzt auch, um qualifizierten Nachwuchs zu generieren. Wir haben bundesweit gute Hochschulkontakte, sind hier in der Region eng vernetzt mit den Technikerschulen in Dillenburg, Weilburg und Wetzlar, der TH Mittelhessen mit Studium Plus, der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg. Über die Jahre haben wir so viele gute Mitarbeiter gefunden und auch spannende Entwicklungen mit vorangetrieben.
Haben Sie dafür ein paar Beispiele?
Ja klar. Viele Beispiele drehen sich um sehr spezielle Entwicklungen rund um Chips und Leiterplatten, ganz aktuell unter anderem bei der Entwicklung und der Programmierung von Schaltungen mit FPGAs (Field Programmable Gate Array). Wir haben aber auch mit einem bekannten Mikroskop-Hersteller einen Objektiv-Revolver ohne klassische Rastfeder für das schnellere Wechseln der verschiedenen Objektive entwickelt. Im Rahmen des Forschungsprojekt „Wetzlar Network: X-Ray Cam“ haben wir an der Elektronik für eine schnelle Röntgenkamera mitgearbeitet. Es gibt seit unserer Gründung dutzendweise spannende Beispiele für unsere Entwicklungsarbeiten, durch die wir tolle Produkte der Kunden mit auf den Weg gebracht haben.
Wie sehen Sie die Zukunft von Brückmann?
Drangehen! Machen! Das wird auch in Zukunft unsere Devise sein und ist aus meiner Sicht der richtige Weg, um den täglichen Herausforderungen zu begegnen. Unser Erfolg beruht darauf, Aufgaben anzunehmen und mit Mut und Durchhaltevermögen langfristig zu verfolgen. Dafür wird kontinuierlich geplant, kalkuliert und manchmal auch was riskiert. Wenn man jede Bestellung eines Kunden als Investition versteht, ist es nur konsequent, das, was die Firma verdient hat, wieder in den Betrieb zu reinvestieren. Auch das ist Unternehmertum.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten?
Dann würde ich mir 50 Millionen Euro wünschen und noch mehr „machen“. 30 Millionen gingen in den nächsten Anbau auf unserem Werksgelände in Lahnau, 10 Millionen in die Einrichtung inklusive Materialvorräten, um Lieferengpässen vorzubeugen, und für den Rest würde ich Werkswohnungen bauen. Wir pflegen eine starke Bindung zu unserer Belegschaft und zeigen das durch umfangreiche Benefits und Veranstaltungen wie unser beliebtes Familienfest im Sommer. Werkswohnungen wären dafür das Sahnehäubchen, denn gute, bezahlbare Wohnungen sind auch in Mittelhessen gar nicht mehr so leicht zu bekommen.
Warum wurden Sie Mitglied bei HESSENMETALL?
Wir sind im ersten Corona-Jahr Mitglied geworden, weil Bosch Mitgliedsunternehmen des Verbandes ermöglichte, deren Maschinen für die Maskenproduktion nachzubauen. Leider haben wir den Absatz nicht sicherstellen können. Wir sind dann aus vielerlei Gründen Mitglied geblieben: wegen der guten Betreuung in vielerlei Hinsicht, der Unterstützung im Arbeitsrecht, der Bereitstellung von Weiterbildungsangeboten, den Informationen und Handlungsempfehlungen zu grundsätzlichen und aktuellen Themen für die tägliche betriebliche Praxis. Daneben schätzen wir die Unterstützung im Kampf gegen den Fachkräftemangel von der Ausbildung bis zur Förderung und Gewinnung von Fachkräften, das gute Netzwerk und den Meinungsaustausch unter Unternehmen in der gleichen Branche. Und nicht zuletzt schätzen wir auch die Angebote des Bildungswerk der hessischen Wirtschaft und von Consult, der Personaldienstleister der hessischen Wirtschaft
Oliver Brückmann:
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Interview: Maja Becker-Mohr
Fotos: Gerd Scheffler
Kontakt
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