China treibt uns an, neue Wege zu gehen
Chef-Interview Der Schweißtechnikspezialist Cloos in Haiger ist ein deutscher Mittelständler mit chinesischen Inhabern. Wie passt das zusammen
Der Name Cloos steht seit über 100 Jahren für Pionierleistungen in der Schweißtechnik und beschäftigt heute weltweit knapp 1.000 Mitarbeiter. aktiv sprach mit Stephan Pittner, Geschäftsführer und CEO des Unternehmens, über Roboter und ausgefeilte Automatisierungslösungen, die ungeliebte Arbeitsplätze ersetzen, und seine Begeisterung für Technik, die ihn schon als kleiner Junge gepackt hat.
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 20. Juli 2024
Was fasziniert Sie an Robotern?
Mich fasziniert Technik in jeder Form und ich finde es extrem spannend, wie sich unsere Welt durch die Digitalisierung verändert und Vieles leichter macht. Meine Technikbegeisterung motivierte mich schon bei der Berufswahl und begleitet mich bis heute. Allerdings hätte ich nie gedacht, dass ich mal in einer größeren Führungsrolle ankomme. Als Junge habe ich schon an Autos geschraubt und mir mit 17 für kleines Geld einen alten Opel Ascona gekauft. Bis ich mit 18 den Führerschein machte, hatte ich ihn dann selbst auf Vordermann gebracht. Ich finde es sehr schade, dass man an heutigen Autos vor lauter Bits und Bites nicht mehr viel selber machen kann.
Aber ohne Bits und Bites geht es auch bei Ihren Robotern nicht mehr...
Das stimmt. Komplette Schweißstraßen, wie wir sie ganz individuell entwickeln und installieren, wurden ja erst durch die Digitalisierung möglich. Im Jahr 1919 begann der Ingenieur Carl Cloos mit der Herstellung von Schweißbrennern. Heute entwickeln und produzieren wir innovative Lösungen rund um unsere Kernkompetenz: das Lichtbogenschweißen. Unser Portfolio reicht vom Schweißbrenner und Schweißgerät über Roboter und externe Verfahrachsen bis hin zu Software und Sensorik.
Wo kommen Anlagen von Cloos zum Einsatz?
Wir sind gefragt, wenn viele Schweißpunkte schnell und dennoch in hoher, gleichbleibender Qualität gesetzt werden müssen. Dies ist beispielsweise bei der Produktion von Erdbewegungsmaschinen, Zügen oder Lkws der Fall. Grundsätzlich sind wir in allen Industrien tätig, in denen metallische Werkstoffe verbunden werden müssen, darunter Medizin-, Heizungs- und Stahlhallentechnik sowie Schaltschrankbau und vieles mehr.
Wir haben eine Digitalplattform entwickelt, die alle wichtigen Parameter im Produktionsprozess erfasst und analysiert, um Fehler und Optimierungspotenzial zu erkennen. Und natürlich können wir auch aus der Ferne Anlagen warten oder Fehler beheben.
Wie digital ist Cloos insgesamt?
Die Digitalisierung ist ja bereits seit Jahren in allen Unternehmen bei den administrativen Bereichen eine gesetzte Technologie, um die Tätigkeiten in diesen Bereichen effizienter zu gestalten. Der massive Einzug in die Produktionsbereiche verfolgt das gleiche Ziel: Prozesse tracken, KPIs erfassen und die Produktivität zu steigern. In Punkto Produktionssteuerung und Datenerfassung ist CLOOS gut aufgestellt. Wir bilden alle relevanten Produktionsprozesse bis hin zum Bau komplexer Projekte in SAP als führendem System ab.
Wie sieht die Zukunft aus bei Cloos?
Wir sind gerade dabei, über unsere digitale Plattform ein Tool aufzubauen, über das sich Kunden ihre eigene Anlage konfigurieren können. Anhand der eingegebenen Anforderungen entwirft das System eine passende Anlage, die dann anschließend über ihre Laufzeit über intelligente Schnittstellen betreut und gewartet werden kann. 2023 haben wir das System mit Erfolg in den USA gelauncht und werden es noch in diesem Jahr auch in Europa auf den Markt bringen. Künstliche Intelligenz wird uns da noch weiter voranbringen. KI nutzen wir schon und konnten darüber bereits Durchlaufzeiten in Bereichen der Entwicklung um 70 Prozent reduzieren. Richtig eingesetzt ist das einfach ein tolles Instrument.
Das Unternehmen wurde ja 2019 an Estun verkauft, Chinas größter Roboterbauer. Was hat sich seitdem für sie verändert?
Überraschend wenig. Cloos fühlt sich nach wie vor wie ein mittelständisches Familienunternehmen an, nun eben mit chinesischen Eignern, die gar nicht so anders entscheiden als deutsche Inhaber. Unser Senior ist jetzt 70 und sein Sohn 40 Jahre. Man darf sagen: Es sind Menschen, die etwas bewegen wollen. Nach nun fünf Jahren stellen wir fest: Unser Ingenieurwesen wird wertgeschätzt und Stück für Stück zieht die Dynamik eines chinesischen Unternehmens bei uns ein. Eine spannende Kombination wie ich finde.
Wie sehen die neuen Wege aus?
Investitionsvorhaben werden schneller vorangetrieben als früher. 2019 hatten wir weltweit 750 Beschäftigte, heute sind es knapp 1.000. Dieses Wachstum erfolgte vorrangig über den chinesischen Markt. Aktuell konzentrieren wir uns mehr auf MENA, also den Mittleren Osten und Nordafrika, und zudem besonders auf den nordamerikanischen Markt. In Chicago haben wir deshalb ein neues Headquarter für CLOOS North America eröffnet.
Wie investieren Sie in die Zukunft?
Wir geben viel Geld aus für Standorte wie Chicago, aber auch in die Zentrale in Haiger fließen gerade über 10 Millionen Euro in eine Montagehalle und unser neues Innovationszentrum. Die Entwicklung wird noch mehr Gewicht bekommen. Mit der Produktion in Haiger werden wir uns auf Europa beschränken. Bei einer Exportquote von gut 80 Prozent macht es im Sinne des Carbon-Footprints wenig Sinn, alle Anlagen hier komplett zu fertigen und dann tonnenschwere Metallteile durch die ganze Welt zu transportieren. Also müssen wir Produktionskapazitäten in anderen Teilen der Welt aufbauen.
Ergeben sich solche Entscheidungen auch aus den Erfahrungen der letzten Jahre?
Natürlich. Die letzten drei Jahre waren geprägt von Extremsituationen, von Corona bis zu den Lieferengpässen. Also denkt man neu nach über Wertschöpfungsprozesse und Materialströme, sucht sich neue Versorgungskanäle und nach Wegen, die solche Entwicklungen entschärfen. Und dennoch gibt es immer wieder Überraschungen, nicht zuletzt durch geopolitische Probleme. Deshalb muss man seine Pläne immer wieder überprüfen und gegebenenfalls auch korrigieren.
Was ist für Sie eine Herausforderung?
Jedes Land, jede Kultur, hat eigene Stärken und Schwächen. So ist zum Beispiel Deutschland das Land der strukturierten Vorgehensweise, des Ingenieurwesens und des Tüftelns. In China löst der feste Wille nach Erfolg eine unbegrenzte Dynamik aus. In den USA zählen Eigenverantwortung, Handeln und ein selbstbewusstes Marketing. Solche Unterschiede immer wieder rund zu bekommen und für den Erfolg von Cloos zu nutzen, ist eine Herausforderung, die mir Spaß macht.
Warum ist Cloos Mitglied bei HESSENMETALL?
In vielen Themen ist der Austausch sehr sinnvoll. Seien es Personal- oder Ausbildungsthemen, Rechtsthemen rund um die Arbeitswelt oder Unterstützung bei der Auslegung bestehender tariflicher Vereinbarungen. Es ist einfach für alle von uns sehr wertvoll, Teil des Netzwerks von HESSENMETALL zu sein, um die vielfältigen täglichen Herausforderungen meistern zu können.
Stephan Pittner:
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Interview: Maja Becker-Mohr
Fotos: Gerd Scheffler
Kontakt
CARL CLOOS SCHWEISSTECHNIK GMBH
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