Chefin-Interview mit Dr. Britta Giesen
„Wir Frauen könnten schon viel weiter sein“
Wirtschaftszeitung Aktiv vom 25. März 2023
Chefin-Interview Dr. Britta Giesen vom Technologieführer Pfeiffer Vacuum über weibliche Führungskräfte und aktuelle Herausforderungen
Aßlar. Pfeiffer Vacuum in Aßlar ist mit rund 4.000 Beschäftigten einer der weltweit führenden Anbieter von Vakuum- und Lecksuch-Lösungen. aktiv sprach mit der Vorstandsvorsitzenden Dr. Britta Giesen über aktuelle Herausforderungen für das börsennotierte Unternehmen.
Frau Giesen, was müsste frau tun, um wie Sie Vorstandsvorsitzende eines international tätigen Unternehmens zu werden?
Sie sollte sich für Naturwissenschaften und Technik begeistern, eine gute Ausbildung anstreben und sich auch ein dickes Fell zulegen. Denn Frauen müssen genau wie Männer um ihr Weiterkommen kämpfen. Ich wurde 1966 geboren. Damals konnte ein Mann den Arbeitsvertrag seiner Frau ohne deren Wissen kündigen. Seitdem hat sich viel geändert, aber wir Frauen könnten schon viel weiter sein.
Was tun Sie denn bei Pfeiffer Vacuum, um aus dem Rollenmodell herauszukommen?
Frauen haben in unserer Branche leider noch nicht die gleichen Chancen wie Männer, aber sie drängen auch weniger zielsicher nach oben. Weiter kommt, wer was kann, sich engagiert und auch sagt, dass er weiterkommen möchte. Oft sind Frauen da zurückhaltender als Männer. Also halten wir die Augen auf und sprechen gezielt auch Frauen an, wenn wir Potenzial erkennen. Und wir geben Vorbilder. Ein Drittel unseres Managementteams und des Aufsichtsrats sind Frauen. Wir haben in vielen Bereichen weibliche Führungskräfte. Um schon Mädchen und Jungen für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern, fördern wir Aktionen wie das Plus-MINT-Programm des Vereins zur MINT-Talentförderung, und wir halten Talenten Türen auf, nicht zuletzt durch die enge Kooperation mit Hochschulen.
Was ist das Besondere an Pfeiffer Vacuum?
Es ist ein globales Hightech-Unternehmen, und wir sind als Anbieter von Lösungen zur Erzeugung von Vakuum in spannenden Branchen unterwegs. Vakuumtechnik wird für die Herstellung unzähliger Produkte unseres täglichen Lebens benötigt, von Halbleitern bis zur Beschichtung von Bauteilen für Fahrzeuge, Maschinen oder auch Brillengläsern. Wir beliefern ein Unternehmen, das Steuerungstechnik für Satelliten herstellt, und ermöglichen die Technologien der Zukunft – ob es um alternative Energiequellen, Elektromobilität oder medizinische Innovationen geht.
Wie stehen Sie zur Herausforderung Klimawandel?
Wir wollen bis 2030 mit unseren Aktivitäten weltweit klimaneutral sein, an allen unseren Standorten. Dafür arbeiten wir an einem komplexen Fahrplan und haben fünf Stellen geschaffen, die sich ausschließlich mit dem Erreichen der sogenannten ESG-Ziele beschäftigen. Wir investieren zum Beispiel in allen Werken in Photovoltaik, E-Ladesäulen, in die Wärmerückgewinnung in der Produktion und in vieles mehr. Unabhängig davon liefern wir in Zukunftstechnologien, die helfen werden, den Klimawandel zu bewältigen. Übrigens werden auch Solarmodule mit Hilfe von Vakuumtechnologie produziert. Und wir beliefern unter anderem das ITER-Projekt, den zukünftig größten Fusionsreaktor der Welt. Fernziel dieses internationalen Forschungsprojektes ist es, Strom aus Fusionsenergie zu erzeugen. Technologien wie diese werden uns helfen, Herausforderungen zu bewältigen. Deshalb sehen wir uns auch als Enabler, also als ein Unternehmen, das neue Technologien und Produkte erst möglich macht.
Sie investieren gerade mehr als 50 Millionen Euro an ihrem Firmensitz in Aßlar. Warum?
Die Investition ist Teil unserer Wachstums- und Nachhaltigkeitsstrategie. Wir wollen die Umsatzmarke von 1 Milliarde Euro für den Pfeiffer Vacuum Konzern knacken. Seit 2018 haben wir die Anzahl der produzierten Pumpen knapp verdoppelt, bis 2028 wollen wir sie verdreifacht haben. Dafür brauchen wir optimierte Prozesse in hochmodernen Gebäuden. Also bauen wir einen Industriekomplex inklusive 30 Meter hohem Hochregallager, einem automatischen Kleinteilelager, einem zentralen Gebäude für den Wareneingang und -ausgang und einem neuen Verwaltungsgebäude. Und wir modernisieren Bestandsgebäude. 2022 haben wir bereits 80 neue Stellen geschaffen und es werden weitere hinzukommen. Die Challenge ist, immer auf der Höhe der Zeit zu bleiben, wenn man die Position als Technologie- und Weltmarktführer behalten will.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten bei einer guten Fee?
Dann würde ich mir wünschen, dass die Menschheit ihre Verantwortung für das Klima erkennt und wirklich jeder danach handelt. Wenn man sieht, was in der Welt aktuell alles passiert, und welche Entscheidungen getroffen werden, braucht es scheinbar wirklich eine gute Fee.
Warum ist Pfeiffer Vacuum Mitglied bei HESSENMETALL?
Wir sind ein Arbeitgeber in der Metall- und Elektroindustrie. Also ist eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband für die hessische Metall- und Elektroindustrie für uns naheliegend. Wir schätzen die Unterstützung, Veranstaltungen und nicht zuletzt die Weiterbildungsangebote. Vor allem aber ist die Mitgliedschaft wichtig für den Austausch zu allen arbeitgeberrelevanten Themen und auch, um sich als Unternehmen gegenseitig zu stärken. Wenn Standpunkte gemeinsam festgelegt und auch kommuniziert werden, haben sie eine viel größere Wirkung.
Zur Person: Dr. Britta Giesen
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