Was sind Sie von Beruf, wie war Ihr Werdegang und was machen Sie heute?
Ich arbeite als leitende Entwicklungsingenieurin. Ich wollte seit der 8. Klasse, als in der dritten Stunde im Physikunterricht der Kraft-Begriff eingeführt wurde, Physik studieren. Das habe ich dann auch entgegen dem Wunsch meiner Mutter (Frauen gehen nicht studieren, ich sollte mir einen reichen Mann suchen) von 2005 bis 2010 gemacht an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Meine Diplomarbeit habe ich an einem wirtschaftsnahen Forschungsinstitut über ein Schnittstellen Thema zwischen Physik und Chemie, konkret über transparent leitfähige Oxidschichten, geschrieben, die ich im Chemie-Labor selbst hergestellt habe. Mein Physik Studium habe ich mit summa cum laude abgeschlossen und darüber hinaus den Röntgen-Studienpreis von der Julius-Maximilians-Universität verliehen bekommen. Da mein Herz in der Forschung und Entwicklung schlägt und ich für mich mit meinem Diplomarbeits-Thema noch nicht fertig war, bin ich an dem Forschungsinstitut geblieben und habe über dieses Thema auch meine Dissertation geschrieben. Aufgrund der teilweise intensiven Pflege meiner Oma habe ich von 2010 bis 2015 an meiner Dissertation gearbeitet und wurde 2015 promoviert. Direkt danach startete ich bei der VACUUMSCHMELZE in Hanau ins Berufsleben. Zunächst hatte ich eine Stelle, in der meine Schnittstellen Kenntnisse von Vorteil waren. 2019 hatte ich mich mit meiner Art Projekte anzugehen so profiliert, dass ich ausgewählt wurde, ein vollkommen neuartiges Entwicklungsprojekt in der sogenannten Rascherstarrung zu leiten. Heute arbeite ich weiterhin in der Rascherstarrung und entwickle und optimiere unter anderem magnetische Materialien und deren Herstellungs- und Weiterveredelungsprozesse. Das sind Arbeitsgebiete, mit denen ich zuvor während meiner Ausbildung und in den Folgetätigkeiten fast überhaupt gar keine Berührungspunkte hatte.
Wie sind Sie aufs Netzwerk Frauen in Führungspositionen aufmerksam geworden?
Ich wurde vom Geschäftsführer der VAC, Dr. Erik Eschen, für die Aufnahme im Netzwerk vorgeschlagen. Erst durch ihn habe ichüber von diesem tollen Netzwerk erfahren.
Warum sind Sie im HMFF aktiv?
In dem Netzwerk sind wunderbare Persönlichkeiten, die überaus faszinierend sind. Darüber hinaus befinden sich diese tollen Frauen alle in einer ähnlichen Lebens- bzw. Berufssituation, so dass ein wertvoller Austausch möglich ist. Leider ist es in unsere Gesellschaft weiterhin nicht sonderlich üblich, dass Frauen anspruchsvolle (Führungs-) Positionen übernehmen, insbesondere wenn sie Familienmutter mit kleinen Kindern sind. Wenn frau wie ich in einem sehr kleinen und sehr ländlichen Dorf lebt, fällt frau immer wieder durchaus auf, wenn sie einfach das tut, was mann so tut. Über meine Aktivitäten im Netzwerk kann ich mir ein Gefühl von Normalität holen. Gleichzeitig möchte ich dieses Gefühl der Normalität auch weitergeben und habe mich u.a. auch schon darum bemüht, dass weitere Frauen von dem Netzwerk wissen und darin aufgenommen werden.
Was hat Sie im Netzwerk bisher am meisten beeindruckt?
Der Austausch und der Zusammenhalt. Ich konnte beispielsweise mal ein Verschleißteil einer Anlage bei einem Zulieferer deutlich schneller bekommen, weil ich über das Netzwerk um Hilfe gebeten hatte. Und ich schätze die sehr spannenden und lehrreichen Angebote in Form von Unternehmensvorstellungen, aber insbesondere auch Vorträgen und Workshops. Ich bin wirklich sehr dankbar, so ein hochkarätiges und nachhaltiges Angebot nutzen zu dürfen.
Was würden Sie anderen Frauen, die gerne eine Führungsposition übernehmen würden, empfehlen?
Nicht beirren lassen und sich auf Stellen bewerben, über die frau denkt, dass sie nicht 100% passen würde. Frau kann alles lernen. Leider müssen weiblich gelesene Personen stets härter dafür arbeiten, um die gleichen Erfolge zu erzielen wie männlich gelesene Personen. Dieses härtere Arbeiten führt allerdings auch dazu, dass stetiges Lernen leichter von der Hand geht. Also: einfach wagen. Sollte es dann nicht so laufen wie zuvor erhofft, kann und sollte das stets unter „wieder was gelernt“ verbucht werden. Und vielleicht entsteht aus diesen Steinen auf dem Weg schlussendlich etwas Anderes, viel Besseres.
Was würden Sie sich für die Zukunft wünschen?
Ich würde mir für die Zukunft wünschen, dass sich endlich und spürbar ein Wandel in unserer patriarchalen Gesellschaft vollzieht und Lebenswege sowie Karrieren nicht mehr so stark davon beeinflusst werden, wie das Geschlecht gelesen wird.