BEZIRKSGRUPPE
Mittelhessen
Rechtstipp November 2024
Klagen gegen außerordentliche Kündigungen wegen Diebstahls erfolgreich abgewehrt
Das Team der Rechtsabteilung hat ein Mitgliedsunternehmen vor kurzem bei der Vorbereitung von Kündigungen wegen des unerlaubten Entwendens von Unternehmenseigentum unterstützt und die anschließenden Kündigungsschutzklagen erfolgreich abgewehrt.
Im Laufe des Jahres 2023 verdichteten sich die Indizien, dass Arbeitnehmer Werkzeuge und Arbeitsmaterialien in großem Umfang aus dem Betrieb stehlen. Die aufgrund der Indizien aufgenommen internen Ermittlungen, die insbesondere aus der Befragung von Zeugen sowie der Auswertung von Videoaufzeichnungen, Inventarlisten und den Aufzeichnungen eines GPS-Trackers, der an einem betrieblichen Transportfahrzeug angebracht wurde, bestanden, untermauerten den Verdacht gegen vier Arbeitnehmer.
Parallel zu der internen Aufklärung ermittelte die Polizei gegen die vier Arbeitnehmer. Zwei der Arbeitnehmer konnten bei dem Versuch, Arbeitsmaterial nach Schichtende in einem privaten PKW unerlaubt mitzunehmen, auf dem Mitarbeiterparkplatz gestellt werden. Darüber hinaus stellte die Polizei bei Durchsuchungen der Wohnungen und PKW der Arbeitnehmer sowie einer Hobbywerkstatt, die einer der Arbeitnehmer betrieb, eine Vielzahl von Werkzeugen wie bspw. hochwertige Schweißgeräte und Arbeitsmaterialien sicher. Die Zuordnung der Werkzeuge und Materialien gelang insbesondere durch die Prüfung von Seriennummern und betriebsinternen Beschriftungen. Deutlich wurde das Ausmaß der Straftaten bei einem Blick in die Hobbywerkstatt, deren Bestand von dem entwendeten Arbeitsmaterial geprägt war. Teile des Materials hatte einer der Arbeitnehmer mit dem betriebsinternen Transportfahrzeug aus dem Betrieb zu der Werkstatt gefahren, wie die Aufzeichnungen des GPS-Trackers und der Videokameras belegten.
Aufgrund der erdrückenden Indizienlage kündigte das Unternehmen die Arbeitsverhältnisse mit drei der vier Arbeitnehmer außerordentlich fristlos. Die Kündigungen wurden auf die Tat, d.h. auf das Entwenden, und hilfsweise auf den dringenden Verdacht gestützt. Da das kurzfristige Ausscheiden des vierten Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis ohnehin zeitnah bevorstand, wurde hier von einer Kündigung abgesehen.
In den Kündigungsschutzverfahren versuchten die Arbeitnehmer mit allen Mitteln, die Vorwürfe zu entkräften. Einer der Arbeitnehmer vertrat bspw. die absurde Auffassung, das Unternehmen habe das Eigentum an einem von ihm mitgenommenen Akkuschrauber aufgegeben, indem der Akkuschrauber als defekt deklariert wurde, sodass ihm die Mitnahme erlaubt gewesen sei. Ferner behauptete er, ein in seiner Hobbywerkstatt sichergestelltes und über die Seriennummer dem Unternehmen zuzuordnendes Schweißgerät habe er über einen Online-Marktplatz erworben und nicht entwendet. Zum Verhängnis wurde dem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Schweißgerät jedoch u.a., dass er genau dieses Schweißgerät im Jahr 2019 im Betrieb als verloren gemeldet hatte.
Während der laufenden Kündigungsschutzverfahren gewährte die Staatsanwaltschaft dem Unternehmen Einblick in die Ermittlungsakte mit einem Umfang von circa 1.000 Seiten. Unsere Juristen werteten die Ermittlungsakten aus und führten die daraus gewonnenen Erkenntnisse zur (zusätzlichen) Begründung der Kündigungen in die Verfahren ein. Zudem waren weitere intensive interne Ermittlungsmaßnahmen erforderlich, durch die sämtliche Einwände der Arbeitnehmer unter einem insgesamt enormen Arbeitsaufwand widerlegt werden konnten.
Arbeitsgericht Gießen von dringendem Verdacht überzeugt
Einer der Arbeitnehmer nahm die Klage aufgrund der erdrückenden Beweislage bereits nach dem Gütetermin zurück. Hinsichtlich der beiden übrig gebliebenen Arbeitnehmer vertrat das Arbeitsgericht Gießen die Auffassung, dass aufgrund der umfassenden Darlegung der Geschehensabläufe und insbesondere der gesammelten Beweise und Indizien jedenfalls der dringende Verdacht des Entwendens der Werkzeuge und Materialien vorliegt. Dieser dringende Verdacht reichte aus, um die Kündigungen als begründet zu sehen.
Vor diesem Hintergrund nahmen auch die beiden Arbeitnehmer im Kammertermin ihre Kündigungsschutzklagen nach einer Verfahrensdauer von über zehn Monaten auf Anraten des Arbeitsgerichts und unter der dem Druck der Absicht des Unternehmens, den Vortrag der Arbeitnehmer wegen versuchten Prozessbetruges der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, zurück.
Sollte in Ihrem Unternehmen der Verdacht von Straftaten durch Arbeitnehmer bestehen, wenden Sie sich gerne an unsere Rechtsabteilung. Unsere Juristen unterstützen Sie gerne bei den Maßnahmen der Sachverhaltsaufklärung, der Vorbereitung entsprechender Kündigungen und in den anschließenden Verfahren vor den Arbeitsgerichten.