Herbstumfrage Mittelhessen 2023
Oliver Rüspeler: „Lage der M+E-Unternehmen noch tragbar, aber die Zukunft bereitet große Sorgen“ // Jochen Mohn: „Unternehmen brauchen bessere Rahmenbedingungen, um wettbewerbs- und zukunftsfähig zu bleiben“
Zur jährlichen Herbstumfrage, die aktuelle Daten und Prognosen zu Wirtschaft und Konjunktur erfasst, hat HESSENMETALL Mittelhessen auch im Jahr 2023 die rund 140 Mitgliedsunternehmen zur Teilnahme aufgerufen. Vorsitzender Oliver Rüspeler fasste die diesjährigen Ergebnisse zusammen: „Nach wie vor sind die Herausforderungen für unsere Industrie gewaltig. Die hohen Energiepreise, die bürokratische Überregulierung, der nicht absehbar endende Fachkräftemangel und die geopolitisch angespannte Situation sind für die Betriebe eine enorme Belastung. Laut der Umfrage ist die Lage momentan noch tragbar, aber die Unternehmen blicken mit Sorge und Vorsicht auf die kommenden Monate. Diese Zurückhaltung wird auch in den Ergebnissen der Umfrage deutlich sichtbar.“
Oliver Rüspeler, Geschäftsführer der Johannes Hübner Fabrik elektrischer Maschinen GmbH, Gießen: „M+E-Unternehmen rechnen bei allgemeiner Geschäftslage mit einem Abwärtstrend“
„Die Bewertung der allgemeinen Geschäftslage fällt seitens der Betriebe sehr unterschiedlich aus. 35,9% beschreiben die momentane Geschäftslage als gut, 30,8% als befriedigend und mit 33,3% ein weiteres Drittel als schlecht. Eine Mehrheit rechnet in den kommenden Monaten mit einer gleichbleibenden Lage, jedes vierte Unternehmen geht jedoch von einer Verschlechterung aus. Diese Zahlen zeigen mehr als deutlich, dass die heimischen M+E-Unternehmen jetzt gute Rahmenbedingungen benötigen, um sich für die Zukunft gut aufzustellen und global wettbewerbsfähig bleiben zu können. Ziel muss nun endlich eine sichere und bezahlbare Energieversorgung und weniger Bürokratie sein.“
„Umsatzentwicklung ändert sich drastisch – Ertragsniveau untermauert dies bereits“
„Im Vergleich zum Frühjahr 2023 sind die Zahlen bei der Umsatzentwicklung aktuell gleichbleibend. Beim Blick auf die kommenden Monate ändert sich diese Einschätzung jedoch drastisch, da knapp 70% mit fallenden Umsätzen rechnen. Die Zahlen bei den Erträgen haben sich bereits in den vergangenen Monaten deutlich verändert, denn beschreiben bereits jetzt 45% der Befragten ihre Ertragsentwicklung als schlecht. Demgegenüber stehen 30%, die diese als gut bewerten und 25% als befriedigend. Auch für das kommende Halbjahr wird ein gleichbleibendes bis fallendes Niveau mit wenig Hoffnung auf Besserung prognostiziert.“
„Entwicklung des Exports ein Warnsignal“
Die Exportquote liegt im Jahr 2023 bei 49,7%. Bei den wertmäßigen Exporten geben inzwischen 40% an, dass diese zu gering ausfallen - im Frühjahr lag diese Quote noch bei knapp 20%. Circa die Hälfte der befragten Betriebe bewerten sie als ausreichend. Die Entwicklung der Exporte ist daher ein Warnsignal. Die M+E-Industrie sichert einen Großteil ihrer Umsätze über den Export. Deshalb trifft es die Betriebe hart, wenn die Weltmärkte ins Ungleichgewicht geraten und der Zugang zu Rohstoffen und Energie weiterhin gefährdet sein könnte. Es bedarf großer Anstrengungen sich auf diese Umstände einzustellen. Exportschwerpunkte liegen nach wie vor auf dem Euroraum, gefolgt von Asien und Nordamerika.“
Jochen Mohn, Geschäftsführer der Hexagon Manufacturing Intelligence, Wetzlar: „Zurückhaltung bei den Investitionen“
„Mit über 60% verzeichnet die Mehrheit der mittelhessischen M+E-Unternehmen das eigene Investitionsvolumen als ausreichend, lediglich 18% als gut. Ebenfalls über 60% gehen für das Frühjahr 2024 von einem gleichbleibenden Niveau aus mit einer leicht fallenden Tendenz. Auffällig wird bei der Betrachtung der Investitionsschwerpunkte die deutliche Zurückhaltung der Betriebe: Mit 37,5% entfällt ein Großteil auf Ersatzinvestitionen, gefolgt von Rationalisierungen. Lediglich 16,7% werden aktuell noch in Produkte und 13,9% in Mitarbeiterqualifikation investiert. Die Unternehmen erwarten weiterhin trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds und der unsicheren Zukunftsaussichten stabile Investitionen, sind sich aber auch darüber im Klaren, dass noch mehr passieren muss.
„Entwicklung der Beschäftigten bleibt trotz Herausforderungen stabil – Hoher Mangel an Arbeitskräften“
„Circa 13.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind im Herbst 2023 bei den teilnehmenden Unternehmen beschäftigt. 40% beklagen eine reduzierte Stamm-Belegschaft und wieder 40% gehen in den kommenden Monaten von weiter sinkenden Beschäftigungszahlen aus. Der Bereich Produktion ist mit knapp 58% besonders betroffen. 40% teilen die Hoffnung darauf, dass in naher Zukunft kein weiterer Personalabbau erfolgen muss. Im Hinblick auf die Zeitarbeitnehmer gehen die Betriebe mit einer Mehrheit von 75% davon aus, dass die Zahl der Zeitarbeitnehmer auf gleichem Niveau bleiben wird.
Die Reduzierung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist neben dem fortschreitenden Strukturwandel und den wirtschaftlichen Herausforderungen für die Unternehmen natürlich auch dem zu geringen Angebot an Fach- und Arbeitskräften geschuldet. Offene Stellen können kaum besetzt werden, weil Nachwuchstalente schlichtweg fehlen. Der Trend zur Frühverrentung trägt ihr Übriges dazu bei. Für Betriebe sind mittlerweile wesentlich größere Anstrengungen nötig, um Arbeitnehmer zu finden und diese zu halten. Deshalb gehen Firmen für mögliche Kooperationen wieder verstärkt auf Schulen zu und überprüfen oder erweitern permanent die Angebote an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Beispiele hierfür sind: Home Office, flexible Arbeitszeiten, Jobrad oder Jobticket, Betriebskindergärten oder Kooperationen mit Fitnessstudios. Betriebe wollen ihre Belegschaft halten und suchen händeringend nach neuen Arbeitskräften. Deshalb müssen seitens der Politik Entscheidungsprozesse beim Thema Arbeitserlaubnis von Flüchtlingen unbedingt beschleunigt werden und eine längere Beschäftigung von Älteren oder Rentnern wieder attraktiv gemacht werden. Wir benötigen jede helfende Hand, die arbeiten möchte, um unseren Wirtschaftsstandort langfristig zu sichern.“