Digitale Innovation direkt an der Maschine oder am Produkt? Das ermöglicht das Unternehmen Data Hive Cassel. Geschäftsführer Dr. André Knie: „Wir rüsten bestehende Maschinen mit Sensoren aus, entwickeln smarte Produkte und heben den Schatz der so erzeugten Daten. Unsere Kunden interagieren mit Ihren Maschinen und Produkten auf ganz neue Art – digital.“
Im Rahmen unserer Serie „CEO im Interview“ stellt Dr. André Knie, dessen Startup Teil der Science Park Community der Universität Kassel ist, sich und sein Unternehmen vor.
Herr Dr. Knie, seit wann besteht Data Hive, wie viele Mitarbeitende beschäftigen Sie, und was bietet Ihre Firma?
Data Hive Cassel besteht seit 2021. Unser Team entwirft, entwickelt und setzt um: Wir finden heraus, welche Daten von einer Maschine oder einem Produkt benötigt werden, um den Use-Case unserer Kunden optimal zu erfüllen. Dafür entwerfen wir ein Sensorikkonzept und entwickeln – wo es erforderlich ist – die nötige Hard- und Software. Wir rüsten einzelne Maschinen oder auch ganze Produktserien so aus, dass genau die Informationen beim Kunden landen, die er benötigt.
Wir fragen sehr oft nach dem „Warum“ und vermeiden so Verschwendung – bei uns und beim Kunden. Wir arbeiten immer genau mit den Experten zusammen, die wir für ein individuelles Projekt benötigen. So können Teams mal aus nur zwei Personen bestehen oder für größere Herausforderungen auch mal 15 Menschen für einen Kunden arbeiten.
Sensoren, Maschinen, Innovation, Hochleistungsteams und Kundenfokus – das darf ich heute in Data Hive verbinden.
Wie war Ihr bisheriger Werdegang?
Technologie begeistert mich schon immer. Im Studium der Experimentalphysik habe ich mich mit verschiedensten Sensoren beschäftigt, um mehr oder weniger alle physikalischen Größen messen zu können. Davon habe ich dann in der Promotion und meiner wissenschaftlichen Arbeit hunderte an großen Teilchenbeschleunigern eingesetzt. Dabei ist Führung und der Aufbau von Teams immer mehr zum für mich zweiten wichtigen Faktor meiner Tätigkeit geworden.
Das Thema Führung und Ermöglichen von Hochleistung in Innovations-Teams hat mich dann zu einem weiteren großen Beschleuniger von Güter von Menschen geführt und ich habe bei der Deutschen Bahn die Digitalisierung vorangetrieben. Dort habe ich entdeckt, wie man Projekte wirklich kundenfokussiert durchführen kann und höchst komplexe Themen für den Kunden einfach macht.
Diese Komponenten – also Sensoren, Maschinen, Innovation, Hochleistungsteams und Kundenfokus – darf ich heute in dHive verbinden.
Was schätzen Sie daran, Geschäftsführer zu sein?
Erstens: Ich bin persönlich verantwortlich für den Erfolg oder auch Misserfolg meines Unternehmens. Auch wenn wir uns diese Verantwortung zu zweit teilen und jeder individuelle Stärken einbringt (Anmerkung der Redaktion: Dr.-Ing. Alexander Schrodt ist zweiter Geschäftsführer von Data Hive), ist unser Handeln für das Unternehmen ausschlaggebend.
Zweitens: Die Tätigkeit ist extrem abwechslungsreich. An einem Tag bin ich im Vertrieb, im Projektgeschäft, als Recruiter und als Kaufmann tätig. Am nächsten Tag bin ich Jurist, Stratege und Teamentwickler. Kein Tag gleicht dem anderen, das gibt mir sehr viel Energie.
Wie viel Freizeit haben Sie und was machen Sie damit?
Ich habe dHive in der Freizeit gegründet und habe weiterhin so viel Vergnügen, dass ich auch weiterhin gerne viel davon investiere. Ein Unternehmen im Aufbau erfordert Hingabe, genauso wie meine Familie. Persönlich empfinde ich work-life blending als extrem bereichernd. So kann ich Zeit mit meiner Familie verbringen und trotzdem noch kurz einen Termin oder eine Email unterbringen. Zum Defokussieren des Geistes lese ich aber auch sehr gerne oder höre Podcasts – und das in der Regel nicht fachbezogen.
Viele Hidden Champions und ein unglaublich starker Mittelstand
Welches sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für unsere Region und haben Sie Lösungsansätze?
Wir haben Data Hive Cassel gegründet, weil wir das Thema technischer Fortschritt und Digitalisierung für den Mittelstand in der Region unterstützen wollen. Fachkräfte mit Jahrzehntelanger Erfahrung gehen in den Ruhestand und neue Mitarbeiter müssen digital unterstützt werden, um den Erfahrungsverlust aufzufangen. Andere Produktionsprozesse müssen digitalisiert werden, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Gerade unsere vielen hidden Champions und der unglaublich starke Mittelstand in der Region muss unbedingt aufwachen. Es müssen die Möglichkeiten wahrgenommen werden, die gerade die technische Digitalisierung bietet. Weniger Ausfallzeiten und besser planbare Wartung ist das Ziel, aber das Erfassen von Maschinendaten bietet dutzende von Anwendungsszenarien. Diesen Schatz helfen wir zu heben.
Was konkret unternehmen Sie gegen den Fachkräftemangel?
Wie eben schon erwähnt ist sicherlich die Objektivierbarkeit von Erfahrungswissen durch technische Digitalisierung ein großer Schritt. Gleichzeitig ist ein modernes digitales Arbeitsumfeld ein echter Fachkräftemagnet. Eine Digitalisierung von technischen Prozessen ermöglicht auch eine viel einfachere Internationalisierung der Mitarbeiterschaft durch vereinheitlichte und einfach übersetzbare Prozesse.
Gleichzeitig ist es auch immer unser Anspruch, die Tätigkeiten von Mitarbeitenden weg von ständigen Wiederholungen hin zu mehr kreativer Wertschöpfung zu entwickeln. Auch bei Kleinstserien oder Einzelstückfertigung wird das durch (Teil-)Automatisierung möglich. Das klingt für viele Menschen bedrohlich, aber unsere Erfahrung in Change-Prozessen ermöglicht es uns, auch die Betroffenen von Anfang an einzubinden und so Ängste abzubauen. Deshalb glaube ich, dass neue Methoden in der Führung und eine neue Art der Arbeit Fachkräfte anziehen – und das sind nach meiner Erfahrung nicht nur ganz junge Menschen, sondern auch sehr erfahrene Fachkräfte.
Welchen Trend beobachten Sie in Ihrer Branche?
Ich nehme eine gewisse Mutlosigkeit wahr. Es gibt zahlreiche Projekte, um Produktion oder Produkte inkrementell zu verbessern und zaghafte Schritte in eine digitale Richtung zu unternehmen. Außerhalb der Start-ups sehe ich aber keine mutigen Ansätze, um Geschäftsmodelle wirklich gänzlich anders zu denken oder ein Produkt komplett digital aufzustellen.
Wir sind auch da, um ungezwungen über neue Modelle nachzudenken und Umsetzungswahrscheinlichkeiten einzuschätzen. Das wünschen wir uns für die Branche und den Mittelstand in der Region.
Fachkräftemangel: Nordhessen als gemeinsames Projekt verstehen
Welche Frage haben wir Ihnen nicht gestellt, die Sie gern beantworten würden?
Meine Lieblingsfrage wäre: Wie kann die Region ihre Vorteile noch besser nutzen?
Die Unternehmer und Unternehmerinnen in Nordhessen brauchen etwas länger, um aufzutauen, entwickeln aber eine starke Verbundenheit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich kleine oder auch größere Teams von Unternehmen finden könnten, die gemeinsam die Herausforderung Innovation und Fachkräftemangel angehen könnten.
Wieso nicht mal ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungs-Projekt (F&E) starten, wenn doch sehr ähnliche Maschinen im Einsatz sind? Warum nicht Fachkräfte gegenseitig einladen, um voneinander zu lernen.
Wir sollten Nordhessen als gemeinsames Projekt verstehen und die gute Vernetzung der Unternehmerschaft auch auf die Betriebe ausweiten. Dadurch könnten wir die Region zu einem echten Innovationsmotor entwickeln. Das würde mich sehr freuen!
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