(!) Verwenden Sie bitte viel Sorgfalt auf diese Anhörung
„Die BR-Anhörung wurde dem Betriebsrat übergeben!“ – dieser Satz oder ähnliche Formulierungen finden sich immer wieder in Schriftsätzen von Arbeitgebern an das Arbeitsgericht.
Hintergrund ist, dass eine ohne gem. § 102 BetrVG vorgeschriebene Anhörung des Betriebsrates ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist.
Aus diesem Gründen gehört es zum Standard, im Rahmen von Kündigungsschutzklagen die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates vor Ausspruch der Kündigung zu bestreiten. Es ist dann Sache des Arbeitgebers, hierzu detailliert vorzutragen.
Dass die Gerichte hinsichtlich des Inhaltes von Betriebsratsanhörungen einen sehr strengen Maßstab anlegen, ist ja mittlerweile bekannt. Obwohl das Bundesarbeitsgericht immer wieder klarstellt, dass hier keine überzogenen Anforderungen aufgestellt werden dürfen, geht es in vielen Kündigungsschutzprozessen immer wieder sehr intensiv um die BR-Anhörung und die Frage, welche Tatsachen, die sich nicht in der schriftlichen Anhörung finden, der BR ohnehin schon wusste.
An dieser Stelle unser Appell: Verwenden Sie viel Sorgfalt auf die BR-Anhörung. Teilen Sie dem BR wirklich alle Tatsachen mit, die Sie zur Kündigung bewegen. Legen Sie unbedingt alle Unterlagen vor, die später auch für ein Gericht von Interesse sein können!
(!) Beachten Sie, dass Fehler bei der BR-Anhörung im späteren Gerichtsverfahren kaum noch korrigiert werden können und Kündigungen trotz objektiv vorliegender und auch beweisbarer Gründe durch die Gerichte als unwirksam erklärt werden können, wenn Mängel im Anhörungsverfahren gesehen werden.
Unsere Juristinnen und Juristen unterstützen Sie dabei gerne.
Aktueller Fall
Durch unsere Juristinnen und Juristen wurde ein Prozess über eine fristlose Kündigung vom 29.06.2021 geführt. Hier ging es neben den Kündigungsgründen – unentschuldigtes Fehlen – auch um die Frage der ordnungsgemäßen BR-Anhörung.
Der BR-Vorsitzende war aufgrund seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat eines Schwesterunternehmens zwar im Betrieb anwesend, aber natürlich nicht erreichbar. So wurden die Anhörungsunterlagen dem stellvertretenden BR-Vorsitzenden im BR-Büro übergeben.
Zu klären war hier, ob mit der Übergabe an den Stellvertreter der Arbeitgeber richtig gehandelt hatte und ob damit das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet worden war.
In § 26 Abs.2 BetrVG heißt es hierzu:
„Zur Entgegennahme von Erklärungen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, ist der Vorsitzende des Betriebsrats oder im Fall seiner Verhinderung sein Stellvertreter berechtigt.“
Dies bedeutet zunächst, dass ALLE Erklärungen, Schriftstücke etc. ausschließlich dem BR-Vorsitzenden übergeben werden müssen. Allein im Falle dessen Verhinderung kann eine Zustellung an den Stellvertreter bewirkt werden. Andere BR-Mitglieder sind hingegen nicht empfangsberechtigt.
Das Arbeitsgericht Offenbach hatte sich mit dieser Thematik nicht wirklich befasst und nach durchgeführter Zeugenvernehmung im Sinne des Arbeitgebers entschieden.
Das Hessische Landesgericht (LAG) sah diese Frage hingegen als entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreites an. Es stellte die Frage, ob denn wirklich eine Verhinderung des BR-Vorsitzenden vorlag – schließlich war er ja im Haus, sodass der Arbeitgeber auch das Ende seiner Sitzung hätte abwarten und ihm danach die Unterlagen hätte übergeben können.
Glücklicherweise hatte die Personalleiterin dem BR-Vorsitzenden, bevor sie die Unterlagen dem Stellvertreter im BR-Büro übergeben hatte, eine E-Mail geschrieben, der auch die komplette BR-Anhörung nebst Anlagen beigefügt war.
Dies bestätigte der BR-Vorsitzende als Zeuge bei Gericht, sodass die Klage auch aus diesem Grund abgewiesen wurde und das Arbeitsverhältnis damit wirksam fristlos beendet war. Das Urteil des LAG wurde am 31.07.2023 und damit mehr als zwei Jahre nach Ausspruch der Kündigung gesprochen.
Hinweis für die Praxis:
Auch den Formalien kommt bei der Beteiligung des BR vor Ausspruch von Kündigungen erhebliche Bedeutung zu. Fehler können zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Bitte achten Sie darauf, Unterlagen stets nur dem BR-Vorsitzenden zukommen zu lassen. Ausschließlich im Verhinderungsfall ist der Stellvertreter zuständig. Um Diskussionen über die Frage, ob der nun wirklich verhindert war, zu vermeiden, sollten Sie in jedem Fall dem BR-Vorsitzenden parallel Unterlagen und Erklärungen zukommen lassen.
(!) Bitte beteiligen Sie unsere Juristinnen und Juristen bereits im Vorfeld – wir prüfen Ihre BR-Anhörung und unterstützen Sie auch bei deren Gestaltung.