Von RA Sebastian Lukas
Unser Mitgliedsunternehmen sah sich diversen Entgeltforderungen von Beschäftigten im Vertriebsaußendienst ausgesetzt. Diese forderten für einen Zeitraum von etwa einem halben Jahr Provisionszahlungen, denen sie einen Durchschnittsbetrag der in den vergangenen Jahren tatsächlich erzielten Provisionen zu Grunde legten.
Die Arbeitgeberin hatte anlässlich der volatilen gesamtwirtschaftlichen Ausnahmesituation aufgrund der Nachwirkungen der Corona Pandemie sowie des hinzutretenden Beginns des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine in diesem Zeitraum Restriktionen in Bezug auf den Verkauf bestimmter Produkte verfügt.
Die klagenden Verkäufer argumentierten dahingehend, dass es sich dabei faktisch um einen „Verkaufsstopp“ gehandelt habe und die noch verkäuflichen Produkte lediglich Nischen bedienen würden. Hierdurch sei die Arbeitgeberin im Hinblick auf die entgangenen Provisionen teilweise in Annahmeverzug geraten, da sie die Arbeitsleistung nicht vollumfänglich, sondern nur Teilleistungen, angenommen habe.
Unserer Auffassung folgend, wiesen jedoch sowohl die erstinstanzlich mit der Sache befassten Gerichte als auch im zweiten Rechtszug das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 29.11.2023 – 10 Sa 820/23) die geltend gemachten Ansprüche zurück.
Das Landesarbeitsgericht setzte sich in seiner Entscheidung mit der einschlägigen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum (Teil-)Annahmeverzug auseinander uns stellte hierbei konsequent fest, dass unter rechtlichen Gesichtspunkten bereits kein Fall des Annahmeverzuges (§§ 615, 293 BGB) vorlag. Denn die Arbeitgeberin hatte die klagenden Verkäufer durchgehend gemäß ihren arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitszeiten beschäftigt. Die Arbeitgeberin war hierbei nicht verpflichtet, den Verkäufern Verkaufsmöglichkeiten im bisherigen Umfang und in der bisherigen Art und Weise zu eröffnen, sondern durfte sie auch mit anderen Tätigkeiten betrauen, auch wenn diese gegebenenfalls zu einer Verringerung der Vergütung führten. Die Problematik, welche konkrete Arbeitsleistung der Arbeitnehmer schuldet, während der Arbeitgeber ihn aber gleichzeitig in vollem zeitlichem Umfang beschäftigt, sei keine des Annahmeverzugs, sondern stelle eine Frage im Hinblick auf eine gegebenenfalls zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung dar – so das Landesarbeitsgericht – und wies die alleine auf der Grundlage des Annahmeverzuges gestützte Klage folgerichtig ab.
Die Entscheidung ordnet die bereits ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum (teilweisen) Annahmeverzug (BAG, Urteil vom 13. Oktober 2021 – 5 AZR 211/21; Urteil vom 25. Februar 2015 – 1 AZR 642/13; Urteil vom 16. April 2014 – 5 AZR 483/12; Urteil vom 7. November 2002 – 2 AZR 742/00; Urteil vom 11. August 1998 – 9 AZR 410/97) folgerichtig ein und ordnet die Frage, ob der Arbeitgeber in Annahmeverzug gerät richtigerweise dahingehend ein, dass dies anhand der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitszeit und nicht anhand des Inhalts der geschuldeten Arbeitsleitung zu beantworten ist.
Arbeitnehmer/-innen müssen hiernach im Wege einer auf Schadensersatz gerichteten Klage konkret zu den haftungsbegründenden Tatsachen sowie zum konkreten Schaden, sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach, im arbeitsgerichtlichen Prozess vortragen und können sich nicht auf den vermeintlich einfacheren Weg einer „pauschalierten“ Geltendmachung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges berufen.