Siemens-Schaltanlagenwerk investiert in Zukunft
Standortleiter Martin Betzmann spricht über den Weg zur Nachhaltigkeit
Frankfurt am Main. Durch die Energiewende werden effiziente Schaltanlagen immer wichtiger. Siemens erweitert deshalb sein Schaltanlagenwerk in Frankfurt-Fechenheim. Martin Betzmann, Standortleiter des Schaltanlagenwerks, spricht über die Erweiterung und erklärt, welche Rolle die Klimaneutralität dabei spielt.
Herr Betzmann, stellen Sie bitte das Siemens-Schaltanlagenwerk kurz vor. In welchen Bereichen werden Ihre Produkte eingesetzt?
Martin Betzmann: Das Schaltanlagenwerk hat Siemens in den 1970er-Jahren von dem damaligen Elektrokonzern Voigt & Haeffner gekauft. Seit 1984 befindet es sich am heutigen Standort in Fechenheim. Mit den gasisolierten Schaltanlagen wurde in den Achtzigerjahren eine Weltneuheit eingeführt. Ein Meilenstein und eine Grundsatzentscheidung war, dass wir uns im Jahr 2000 komplett auf die gasisolierte Technologie konzentriert, neu strukturiert und so den Startpunkt für unsere Erfolgsstory gelegt haben. Mit der Technologie geht es seitdem bergauf. Immer mehr Kunden sind von luft- auf gasisolierte Schaltanlagen umgeschwenkt. Mit neuen Feldern wie Wind- und Solarapplikationen als dezentrale Versorgungsanlagen ist der Bedarf gestiegen. Nicht nur das Volumen ist gewachsen, sondern auch die Zahl der Beschäftigten. Heute haben wir in Frankfurt-Fechenheim rund 2.000 Mitarbeitende. Unsere Produkte kommen in der Industrie und der Stromverteilung, etwa den klassischen Trafohäuschen, zum Einsatz. Die Leistungsschaltanlagen sichern ab und verteilen die Energie.
Siemens investiert 30 Millionen Euro in die Erweiterung Ihres Schaltanlagenwerks. Welche Neuerungen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Betzmann: Durch das gewachsene Volumen sind neue Wege notwendig. Mit dem sogenannten „Power Tower“ optimieren wir unsere logistischen Prozesse. Dieses vollautomatische Hochgeschwindigkeitslager bietet eine platzsparende Montage und ist ein Innovationssprung für unsere Logistik.
Bis 2025 sollen 200 neue Mitarbeitende eingestellt werden. Wie begleiten Sie die Belegschaft auf dem Weg in die Industrie 4.0?
Betzmann: Wir schulen die neuen Technologien rund um die Automatisierung und die Programme werden teilweise von der Siemens AG gefördert. Bei den Blue Collar-Workern ist es durch den Schichtbetrieb eine Herausforderung. Mit der AG „New Skills“ haben wir eine Art Volkshochschule im Betrieb gegründet. Nach der Frühschicht können sich die Produktionsmitarbeitenden in ein Schulungsprogramm eintragen und ihre Kenntnisse praktisch verfestigen, etwa wie man einen Roboter bedient. Unser Anspruch ist: Alle Mitarbeitenden sollen verstehen, was eine Schaltanlage ist und das Gesamtprodukt kennen. Auch der Mechatroniker, der üblicherweise nur mit den einzelnen Bauteilen hantiert.
Siemens möchte bis 2030 klimaneutral werden. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das am Standort Fechenheim schaffen und umsetzen?
Betzmann: Der schonende Umgang mit Ressourcen ist schon lange in unserer DNA vorhanden, beispielweise nutzen wir in der Produktentwicklung weniger Kupfer. Am Standort Fechenheim haben wir in den vergangenen Jahren die Energie reduziert, unter anderem durch eine bessere Gebäudeisolierung. Der nächste Schritt ist die Energie CO2-neutral zu beschaffen. Wir beziehen schon jetzt grünen Strom und setzen mittelfristig auf einen Mix aus Solarenergie, Wärmepumpen und Fernwärme. Allerspätestens 2030 soll es soweit sein.
Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihrer Schaltanlagen im Vergleich zu Ihren Mitwettbewerbern?
Betzmann: Sie haben einen technologischen Vorteil, sind 30 Jahre lang wartungsfrei und klimaunabhängig. Das Vertrauen der Kunden in unseren Standort trägt zu unserem Erfolg bei: wir liefern, was wir sagen.
Wo sehen Sie zukünftig die größte Herausforderung in Ihrer Branche?
Betzmann: 2026 wird Isoliergas, das in den Schaltanalagen zur elektrischen Isolierung eingesetzt wird, in der EU verboten. Schwefelhexafluorid (SF6) ist nämlich ein Treibhausgas. Deshalb befinden wir uns derzeit in einem komplexen Technologiewechsel. Die Gehäuse der Schaltanlagen müssen ohne SF6 in Zukunft einen deutlich höheren Druck aushalten als bislang. Die klimaneutralen Schaltanlagen gilt es also kompakter zu bauen.
Welche Standortvorteile sehen Sie in der Mainmetropole für die Siemens AG?
Betzmann: Die zentrale Lage und Erreichbarkeit - sei es mit dem Flugzeug, Schiff oder Zug. Außerdem gibt es in Frankfurt ein hervorragendes Autobahnnetz. Die Stadt ist sehr weltoffen. An unserem Standort arbeiten Menschen aus 60 Nationen, das sehe ich als große Bereicherung - gerade für unsere internationalen Aufträge.
Warum sind Sie Mitglied im Arbeitgeberverband HESSENMETALL Rhein-Main-Taunus geworden?
Betzmann: Das hat Tradition bei Siemens und ich kann es mir nicht anders vorstellen. HESSENMETALL ist eine gute Netzwerkplattform. Durch die Kooperation mit dem Startup und Mitgliedsunternehmen inga haben wir neue Mitarbeitende eingestellt. Im Verband können wir zudem unsere Vorstellungen einbringen - es ist ein Geben und Nehmen.